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Viktor Pöschl
decidunt turres feriuntque summos
fulgura montis
und von dem late conspicuum tollere verticem (c. 3, 16, 19), das Horaz
„perhorresziert“ {iure perhorrui), wie ja auch moles, mit molestus zusam-
menhängend, die Last der Macht und des Reichtums andeutet. Das Be-
rühren der Wolken erhält einen symbolischen Sinn. Es wird in den
epikureisch-lucrezischen Vorstellungskreis von den Gefahren der Macht
und den Ängsten der Mächtigen einbezogen, die auch in der Otiumode c. 2,
16 und in der ersten Römerode eine so wichtige Rolle spielen13. Auf diesen
Bereich weist auch das Beiwort fastidiosam, das in der ersten Römerode
ebenfalls begegnet. Es erinnert an den Überdruß und Ekel, das fastidium
und taedium, von dem Seneca in seinen Briefen und Schriften spricht (z. B.
tranq. an. c. 2).
Mit der Aufforderung mitte mirari geht Horaz noch einen Schritt wei-
ter: er kritisiert die Haltung des Maecenas, der das nil admirari (epi. 1, 6)
nicht gelernt hat. Vom Glanz des Unechten geblendet, kann er sich von
dem ϋάμβος nicht lösen, der Bewunderung der äußeren Güter und der
Angst vor den Mächten, die über sie verfügen.
Wieder begegnen wir einem Ausdruck, der aus der Situation des Ge-
dichts erwächst und doch zugleich in die Sphäre hellenistisch-römischer
Lebensphilosophie verweist. Voll feiner Ironie ist die (wiederum abbil-
dende) Wortstellung:
beatae
fumum et opes strepitumque Romae.
Sie macht deutlich, welch bitteren Kern das „glückliche Rom“ in sich birgt:
Schätze, die in Rauch und Lärm eingehüllt sind. Das mirari gerät so in
ein ironisches Licht. Die Verse haben etwas Schweres, Lastendes von dem
Anfangswort fastidiosam an (ohne Cäsur, in der Ode der einzige Fall an
dieser Versstelle), das auf die ganze Strophe disqualifizierend wirkt. Auch
die unverschränkte Wortfolge molem propinquam nubibus arduis ver-
stärkt diesen Eindruck sowie die schleppende Aufzählung fumum et opes
strepitumque Romae. In diesem Ton ist das Lästige des Großstadttreibens,
das Drückende von Reichtum und Glanz eingefangen.
In der folgenden Strophe vereinigt Horaz die aus den kontrastierenden
Bereichen eingeführten Motive zu einer allgemeinen Aussage:
13 Vgl. meine Aufsätze „Die Curastrophe der Otiumode des Horaz“, Hermes 84,
1956, 74ff. und „Die Einheit der ersten Römerode“, Harv. Stud. Glass. Philol.
63, 1958, 333ff.
Viktor Pöschl
decidunt turres feriuntque summos
fulgura montis
und von dem late conspicuum tollere verticem (c. 3, 16, 19), das Horaz
„perhorresziert“ {iure perhorrui), wie ja auch moles, mit molestus zusam-
menhängend, die Last der Macht und des Reichtums andeutet. Das Be-
rühren der Wolken erhält einen symbolischen Sinn. Es wird in den
epikureisch-lucrezischen Vorstellungskreis von den Gefahren der Macht
und den Ängsten der Mächtigen einbezogen, die auch in der Otiumode c. 2,
16 und in der ersten Römerode eine so wichtige Rolle spielen13. Auf diesen
Bereich weist auch das Beiwort fastidiosam, das in der ersten Römerode
ebenfalls begegnet. Es erinnert an den Überdruß und Ekel, das fastidium
und taedium, von dem Seneca in seinen Briefen und Schriften spricht (z. B.
tranq. an. c. 2).
Mit der Aufforderung mitte mirari geht Horaz noch einen Schritt wei-
ter: er kritisiert die Haltung des Maecenas, der das nil admirari (epi. 1, 6)
nicht gelernt hat. Vom Glanz des Unechten geblendet, kann er sich von
dem ϋάμβος nicht lösen, der Bewunderung der äußeren Güter und der
Angst vor den Mächten, die über sie verfügen.
Wieder begegnen wir einem Ausdruck, der aus der Situation des Ge-
dichts erwächst und doch zugleich in die Sphäre hellenistisch-römischer
Lebensphilosophie verweist. Voll feiner Ironie ist die (wiederum abbil-
dende) Wortstellung:
beatae
fumum et opes strepitumque Romae.
Sie macht deutlich, welch bitteren Kern das „glückliche Rom“ in sich birgt:
Schätze, die in Rauch und Lärm eingehüllt sind. Das mirari gerät so in
ein ironisches Licht. Die Verse haben etwas Schweres, Lastendes von dem
Anfangswort fastidiosam an (ohne Cäsur, in der Ode der einzige Fall an
dieser Versstelle), das auf die ganze Strophe disqualifizierend wirkt. Auch
die unverschränkte Wortfolge molem propinquam nubibus arduis ver-
stärkt diesen Eindruck sowie die schleppende Aufzählung fumum et opes
strepitumque Romae. In diesem Ton ist das Lästige des Großstadttreibens,
das Drückende von Reichtum und Glanz eingefangen.
In der folgenden Strophe vereinigt Horaz die aus den kontrastierenden
Bereichen eingeführten Motive zu einer allgemeinen Aussage:
13 Vgl. meine Aufsätze „Die Curastrophe der Otiumode des Horaz“, Hermes 84,
1956, 74ff. und „Die Einheit der ersten Römerode“, Harv. Stud. Glass. Philol.
63, 1958, 333ff.