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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 1. Abhandlung): Die große Maecenas-Ode des Horaz (c. 3,29) — Heidelberg, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.44190#0040
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Viktor Pöschl

heiteren Souveränität des Weisen in Strophe 11. Mit dem ängstlichen
Blick des Maecenas in die Zukunft kontrastiert der heitere Blick des Wei-
sen auf die Unverlierbarkeit des eben verflossenen Tages, mit dem Lä-
cheln des Gottes über den Sterblichen der Triumph des Weisen über den
Gott, mit der Ohnmacht des Menschen die Ohnmacht der Gottheit (Stro-
phe 8 und 12).
Auch insofern herrscht Symmetrie, als die Strophen 5 und 6 der Gegen-
wart, 7 und 8 der Zukunft, 9 und 10 ebenfalls der Zukunft (als dem sich
stets Wandelnden) 11 und 12 aber der Vergangenheit (als dem Bestän-
digen) zugewandt sind. Das quod adest scheint sich zunächst auf die Ge-
genwart zu beziehen (wie die Hirtenstrophe), vom Standpunkt des Weisen
aber, der auf das vixi schaut, schließt es auch das Vergangene mit ein,
das für ihn ja gleichfalls gegenwärtig ist. Der genau in der Mitte der Ode
stehende Kernsatz quod adest memeiito componere aeqzios ist die Achse,
um die sich alles dreht, die Kraft, die das Ganze durchstrahlt, die tröstende
Botschaft, die dem Menschen trotz aller Bedrängnis und trotz dem gna-
denlosen Enteilen der Zeit das Heil bringen kann.
Mit mächtigem Neueinsatz, Fortunas Walten, setzt dann der Schlußteil
des Gedichtes ein:
Strophe 13.
Doch so deutlich der Neueinsatz ist, so deutlich ist auch die Verbindung
mit dem Vorangehenden. Denn schon der Fluß und der Himmelsvater
waren wie Fortuna Symbole der Schicksalsgewalt. Das Kernstück ist also
mit dem Schlußteil des Gedichtes ebenso nahtlos verbunden wie mit dem
Anfangsteil.
Fortuna erscheint wie im Hymnus auf die Göttin von Antium (c. 1, 35)
und in der Ode Par cus deorum cultor (c. 1, 34) als die willkürliche Ge-
bieterin über alles menschliche Auf und Ab. Durch kunstvoll überlegte
Wortfügung wird ihr sinnlos grausames Spiel verdeutlicht: saevo laeta
und ludere pertinax sind wieder „dissonante“ Nachbarstellungen wie clarus
occultum in Strophe 5: analoge Stilmittel an analoger Funktionsstelle, die
das Einsetzen des neuen Sinnabschnittes unterstreichen.
Auch pertinax und benigna kontrastieren und halten, an den Versenden
diametral verbunden, die Strophe in Spannung. Aber - in der Aufhellung
von pertinax zu benigna angedeutet - zeichnet sich gegen Ende eine Be-
wegung zum Heiteren hin ab. Von der Grausamkeit und Willkür For-
tunens und ihrer Macht, die in der wuchtig geballten, auf den alkäischen
Neunsilbler gelegten Hauptaussage transmutat incertos honores manifest
wird, lockert sich die Spannung ins Weiblich-Launenhafte: nunc mihi nunc
alii benigna malt das Hin und Her des koketten Spiels der Göttin, die es
bald mit diesem, bald mit jenem hält. Hier klingt ein Ton an, der die Bahn
bricht für die im Folgenden immer stärker sich ausbreitende Überlegen-
 
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