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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 1. Abhandlung): Die große Maecenas-Ode des Horaz (c. 3,29) — Heidelberg, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.44190#0043
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Die große Maecenasode des Horaz

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tune me biremis praesidio scaphae
tutum per Aegaeos tumultus^
aura feret geminusque Pollux.
Noch einmal nimmt das Gedicht eine überraschende Wendung. Wie
durch ein Wunder hat Fortuna ihre Macht verloren. Auch wenn sie den
Dichter verläßt, wenn er aus dem Glück gestoßen wird, in dem er sich
jetzt befindet, wird er trotz aller Armut geborgen sein. Selbst wenn er
Schiffbruch erleidet (so versteht Dacier die Strophe wohl mit Recht), wird
er in einem kleinen Ruderboot geschützt und sicher geleitet von freund-
lichen Mächten durch die Stürme des Daseins fahren44 45. So wird in einem
heiter kecken Bild die souveräne Unangefochtenheit des Dichters gegen-
wärtig. Das Widrige des Lebens ist durch ein Wunder bezwungen, das die
innere Heiterkeit und Freiheit des Dichters herbeigezogen hat. Freundliche
Götter schützen sein Boot, wie das Haus des Armen im Schutze des kleinen
Lar {parvo sub Lare, v. 14) und Hirt und Herde im Schutze des Gottes
der Wildnis Silvanus standen (v. 23). Biremis praesidio scaphae ist wie-
der mit überlegenem Humor gesagt. Das Lebensfahrzeug des Dichters
deutet auf den selbstergriffenen Bereich seiner virtus und pauperies, dem
das Geistige und Musische eingefügt ist. Nichts verwehrt uns, in den den
Dichter sicher geleitenden Mächten die ihm zugewandten Himmlischen zu
sehen, die ihn von jeher beschützten. Die hilfreichen Dioskuren46 sind mit
dem Gott verwandt, der das Sabinertal des Horaz vor Schlangen und Wöl-
fen beschützt (c. 1, 17, äff.), mit den Tauben, die das schlafende Kind in
seiner apulischen Heimat mit Laub bedeckten (c. 3, 4, 9ff.), mit den Ca-
menen, die ihn retteten: bei Philippi, im Seesturm bei Kap Palinuro und
als der Baum ihn beinahe erschlug, mit den Musen, in deren Schutz er
die wilden Völker an den Grenzen des Reichs: Britanner, Concaner, Ge-
lonen und den Skythenstrom aufsuchen könnte, ohne Schaden zu nehmen
(c. 3, 4, 25ff.), verwandt auch mit den Liedern des reinen liebenden Dich-
ters {integer vitae scelerisque purus), der keiner maurischen Speere und
Giftpfeile bedarf, um durch die Syrien, den Caucasus und die Gefilde zu
reisen, die der märchenhafte Hydaspes beleckt (c. 1, 22, lff.). In diesen
Bildern und Szenen verbindet sich die Überzeugung, daß der Dichter eine
heilige Sendung erfüllt und darum im Schutze der Himmlischen steht,
44 Tutum und tumultus sind durch Stellung und Alliteration aufeinander be-
zogen.
45 In anderem Zusammenhang erscheint das Floß als Gleichnis bei Plato Phaidon
85d. Die wunderbare Fahrt des Arion auf dem Delphin und des Pelops auf dem
Gespann Neptuns als Sinnbild göttlicher Rettung bei Cicero Tusc. 2, 67.
46 Vgl. die Rolle der Dioskuren in c. 1, 12, wo sie als die Besänftiger des See-
sturms besonders herausgehoben sind. Sie nehmen genau die Mitte des Gedich-
tes ein, beschließen die erste Götterreihe und sind in Kontrast gestellt zu dem
strafenden Jupiter am Ende der Ode.

3 Pöschl, Die große Maecenasode des Horaz
 
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