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Bornkamm, Günther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 2. Abhandlung): Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes — Heidelberg, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.44191#0009
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Kein anderes Dokument der frühchristlichen Literatur gibt uns einen so
unmittelbaren, fast verwirrend reichhaltigen Einblick in Leben und Be-
drohung einer der ersten hellenistischen Gemeinden und speziell in die
konkreten Aufgaben und Kämpfe, die Paulus als Apostel zu bewältigen
hatte, wie seine Briefe an die korinthische Gemeinde. Ihre überall spür-
bare Nähe zu bestimmten Situationen und Fragen im Leben des Paulus
und seiner Gemeinde macht sie zu einer Quelle ersten Ranges, aber er-
schwert auch dem Historiker den Zugang zu eben dieser Geschichte. Immer
wieder muß er mit Phantasie und Kritik aus Antworten Fragen erschlie-
ßen, aus Andeutungen und mehr oder weniger offenkundigen Anspielun-
gen Gestalten und Vorgänge sich verdeutlichen und den Versuch machen,
aus Einzelnem ein Ganzes zu gewinnen. Die Quellen, an die er sich dabei
gewiesen sieht, sind ausschließlich die Briefe selbst. Wohl bietet die Apo-
stelgeschichte wichtige Angaben über den ersten, eineinhalb jährigen Auf-
enthalt des Apostels in Korinth auf seiner sogenannten zweiten Missions-
reise (wahrscheinlich 50 auf 51)1 und die Anfänge der hier nach dem Miß-
erfolg des Paulus in Athen schnell aufgeblühten Gemeinde2 und bestätigt
in einer kurzen Notiz einen späteren letzten dreimonatigen Aufenthalt des
Apostels in Achaja und Korinth, bei dem der Römerbrief verfaßt wurde
(wohl Winter 54/55)3. Auch ermöglicht sie uns durch die Erwähnung des
römischen Statthalters Gallio4 - das einzige absolute Datum für die Chro-
nologie der Geschichte des Paulus überhaupt - die Geschichte, die sich zwi-
schen Apostel und Gemeinde abspielte, auf die erste Hälfte der fünfziger
Jahre zu datieren. Doch berichten die Acta, die hier wie sonst von den
Briefen des Paulus keinerlei Gebrauch machen5, nichts von der überaus
bewegten Geschichte zwischen dem ersten Wirken des Paulus in Korinth
und seinem endgültigen Abschied von der Gemeinde, ehe er nach Judäa
und Jerusalem aufbrach und von dort - nicht, wie er noch im Römerbrief
1 Zur Frage der Chronologie vgl. E. Haenchen, Die Apostelgeschichte, Kritisch-
exegetischer Kommentar über das Neue Testament 3. Abt., 12. Aufl., 1959,
S. 53ff.; H. Braun, Artk. Christentum I, in: Rel. in Gesch. u. Gegenw., 3. Aufl.,
I, 1957, spez. Sp. 1693-1695 (Lit.).
2 Apg 18, 1-17.
3 Apg 20, 2f.; Röm 15, 22ff.
4 Apg 18, 12ff.
5 Nur dies kann mit Sicherheit behauptet werden. Ob Lukas die Briefe des
Paulus nicht gekannt hat oder sie nicht benutzen wollte, ist umstritten. Das
letztere verficht mit guten Gründen neuerdings G. Klein, Die zwölf Apostel,
1961, S. 189ff.
 
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