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Bornkamm, Günther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 2. Abhandlung): Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes — Heidelberg, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.44191#0015
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Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes

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vorgeworfen, auf dem Umweg über die von ihm für Jerusalem erbetene
Kollekte verschaffe er sich - hinten herum und verschlagen - das nötige
Geld, ein Schurke und Ausbeuter der Gemeinde40. So fehlen ihm alle Zei-
chen des echten Apostels41, die Legitimation (δοκιμή), die von jedem ge-
fordert werden muß42. Doch darf man sich durch derlei Infamien des gegen
Paulus geführten Kampfes nicht verführen lassen, die Gegner zu kari-
kieren. Das für unsere Begriffe so zweifelhafte Bild, das sie bieten, ist zeit-
geschichtlich durchaus nicht ungewöhnlich und befremdlich. Sie haben
darum immerhin erstaunliche Erfolge bei einer Gemeinde erzielen können,
der Paulus trotz aller Irrwege schon im ersten Brief wie auch in den ver-
söhnlichen Partien des zweiten Lob und Anerkennung aussprechen kann.
Die Korinther haben darum die Maske, mit der diese Pseudapostel und
„Satansdiener“, die als „Engel des Lichtes“ und „Diener der Gerechtig-
keit“ auftreten43, nicht durchschaut. Denn, was sie anbieten und wonach sie
auch den Apostel messen, ist mit seinen eigenen Worten zu reden, offen-
bar nichts anderes, als „der Beweis des Geistes und der Kraft“44. Nicht
weniges ist darum Paulus und seinen Gegnern gemein: beide beanspru-
chen, Apostel und Diener Christi zu sein45, beide dringen auf Ausweis und
Bewährung christlicher und apostolischer Existenz. Paulus begibt sich dar-
um, wenn auch widerwillig, mit Verteidigung und Angriff in ein gemein-
sames Kampffeld und muß sich, so wenig er sich ihnen in Wahrheit zu-
rechnen und gleichstellen will46, wohl oder übel doch mit ihnen vergleichen.
So sehr er darum immer erneut den Verdacht der Selbstempfehlung ab-
wehrt, ist er doch gezwungen, sich zu verteidigen, sich zu empfehlen und
zu rühmen, wenn auch in höchst paradoxer Weise, nämlich in der ihm auf-
gezwungenen Rolle eines „Narren“47.
Sein „Ruhm“ ist freilich nichts anderes als das an der Gemeinde voll-
brachte Missionswerk48, sie selbst ist sein Empfehlungsbrief und der von
ihm bestellte Brief Christi an die Welt49. Sein „Ruhm“ ist gerade der von
seinen Gegnern verdächtigte Verzicht auf jegliche Ausbeutung der Ge-
meinde50, die Mühsal seiner Arbeit und die lange Kette der Leiden und

40 II Kor 12, 16ff.
41 II Kor 12, 12.
42 II Kor 13, 3.
43 II Kor 11, 13-15.
44 I Kor 2, 4.
45 II Kor 11, 23.
46 II Kor 10, 12ff.
47 II Kor 11, 1. 16ff.; 12, 1. 6. 11. Stichworte sind δίφρων und αφροσύνη.
48 II Kor 10, 13ff. Vgl. zum Folgenden E. Käsemann, Die Legitimität des Apo-
stels, Zeitschr. f. neutest. Wissensch., 41, 1942, S.52ff.; Neudruck der Wissen-
schafti. Buchgesellschaft (Libelli XXXIII, 1956) S. 37ff.
49 II Kor 3, 2ff.
50 II Kor 11, 7ff.; 12, 14ff.
 
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