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Bornkamm, Günther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 2. Abhandlung): Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes — Heidelberg, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.44191#0019
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Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes 17
bei dem völlig unvermittelten Übergang von den ersten neun Kapiteln zu
den letzten vier, 10-13, mit denen wir einsetzen wollen. Wir erinnern uns:
alle erwähnten Angaben über den Verlauf des Konfliktes zwischen Paulus
und der von den Gegnern verführten Gemeinde, den jäh abgebrochenen
Zwischenbesuch, den Schmerzensbrief und die Mission des Titus fanden
sich in den Kapiteln 1-2 und 7, in einem bewegenden Rückblick geschrieben
zu einem Zeitpunkt, da der Streit beigelegt ist und der Apostel in großer
Freude von der Aussöhnung sprechen kann. Auf diese Kapitel folgen zwei
weitere, die der Empfehlung der Kollekte für Jerusalem gewidmet sind,
in sich auch nicht einheitlich, doch sollen diese Fragen hier zunächst zurück-
gestellt werden. Dann aber folgen die Kapitel 10-13, in sich geschlossen,
aber von den Kapiteln 1-7 sich seltsam abhebend. Denn hier ist der Kampf
noch in vollem Gange, von einer sich ankündigenden oder gar erfolgten
Befriedung durch seinen Zwischenbrief und das Wirken des Titus ist mit
keiner Silbe die Rede, im Gegenteil: der Apostel steht hier seinen Gegnern
und der ihnen nahezu erlegenen Gemeinde gegenüber fast auf verlorenem
Posten und muß den Kampf mit Mitteln führen, die ihm selbst zuwider
sind. Inständig ruft er seine Korinther zu Einsicht und Umkehr, um nicht
bei einem bevorstehenden dritten Besuch, den er 12, 14 und 13, 1 ankün-
digt, in äußerster Strenge mit Gegnern und Gemeinde abrechnen zu müs-
sen. Nicht noch einmal will er eine solche Demütigung wie beim zweiten
Besuch erleben und gezwungen sein, die ihm zur Erbauung der Gemeinde
gegebene Vollmacht zu Strafgericht und Zerstörung zu gebrauchen67.
Der Bruch zwischen beiden Teilen des überlieferten Briefganzen ist so
eklatant, 'daß, wie bereits erwähnt, längst schon die auch mir überzeugende
These vertreten worden ist, die letzten vier Kapitel seien nicht gleichzeitig
mit den ersten abgefaßt und abgesandt, sondern seien ein Fragment des
dort erwähnten Schmerzensbriefes. Diese sogenannte Vier-Kapitel-Hypo-
these, erstmals von dem Heidelberger Neutestamentler und Kirchenhisto-
christentum, in: Rel. in Gesch. u. Gegenw. 3. Aufl. Bd. III, 1958, Sp. 17-21
vertretene Differenzierung der Fronten als einen Rückfall hinter die von F. Chr.
Baur und - in anderer Weise - von W. Lütgert erarbeitete Erkenntnis ihrer
Einheit. Seine Kritik gilt auch den Untersuchungen von E. Käsemann (a. a. 0.)
und U. Wilckens (a. a. 0.). Alle diese isolieren nach Schmithals fälschlich
einzelne Briefe und Briefabschnitte „unter ausdrücklicher Nichtbeachtung der
Parallelen“ (S. 227). Doch ist dieser Vorwurf ungerechtfertigt. Die von ihm
behauptete Einheit der Fronten und das von ihm selbst sehr anders als von
seinen Vorgängern entworfene schematische Bild der Gegner wird ja vielmehr
mit gewichtigen exegetischen Gründen bestritten. Auf dem Felde des zeit-
genössischen und urchristlichen Synkretismus, mit dessen Erscheinungen Paulus
sich auseinanderzusetzen hatte, wird man gegen das Postulat eines Uniformis-
mus von vornherein mißtrauisch sein müssen. Nicht zufällig sind ja auch bis
hin zu Schm, die vermeintlich so einheitlichen Fronten sehr verschieden ver-
standen worden.
67 II Kor 12, 21; 13, 10.

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