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Bornkamm, Günther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 2. Abhandlung): Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes — Heidelberg, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.44191#0022
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Günther ßornkamm

sagte άδικήσας, war also nicht selbst einer der falschen Apostel, sondern
ein von ihnen verführtes Gemeindeglied, darum auch jetzt noch am Ort
und Objekt der von der Gemeinde gegen ihn durchgeführten disziplinären
Maßnahme78.
Es besteht also keine Nötigung, die Vier-Kapitel-Hypothese in ihrer
ersten Gestalt aufzugeben und mit Krenkel, Windisch und Jülicher79
durch eine andere zu ersetzen. Die genannten Forscher vertreten auf Grund
der angeführten Argumente (Nichterwähnung des Zwischenfalls in II Kor
10-13 und der Rivalen in den Kapiteln 2 und 7) die These, daß die letzten
vier Kapitel unmöglich zum Tränenbrief gehört haben können, wohl aber
ein allerletztes Schreiben darstellen, das Paulus nach Korinth schicken
mußte, nachdem trotz und nach der erfolgten Versöhnung der Streit aber-
mals und jetzt in äußerster Schärfe losgebrochen war. Das hieße jedoch
1), daß Titus dem Paulus gegenüber und dieser der Gemeinde gegenüber
bezüglich ihrer Umkehr den Mund dann reichlich vollgenommen und beide
sich einer völligen Illusion über die wahre Lage ergeben hätten; das an-
zunehmen verbietet jedoch schon die Tatsache, daß die Gemeinde sehr
greifbare Beweise ihrer neuen Gesinnung geliefert hat (in Gestalt der Be-
strafung des άδικήσας)80; 2), daß ein solches Maß von Unbeständigkeit der
Gemeinde - von der völligen Ergebung gegenüber Paulus bis zur aber-
maligen totalen Rebellion - noch dazu in so kurzer Frist nicht wohl zuzu-
trauen ist; 3), daß die Tatsache ihres Rückfalls in den Kapiteln 10-13 dann
sicher einen Widerhall gefunden hätte. Endlich 4) noch ein gewichtiges
Argument: schon in 12, 14 und 13, 1 und vollends im ersten Briefteil81
steht die dritte Reise des Paulus nach Korinth unmittelbar bevor. Daß sie
tatsächlich ausgeführt worden ist, beweisen die Notiz der Apostelgeschichte
20, 2 und Röm 15, 22ff. Der während dieses letzten dreimonatigen Auf-
enthaltes in Korinth geschriebene Römerbrief verrät jedoch nicht die ge-
ringste Spur davon, daß Paulus sich zur Zeit in einer noch immer oder gar
wieder aufsässigen Gemeinde befindet oder aber ein erneuter Kampf wie-
der zum guten Ende geführt sei. So ist der Hypothese, daß II Kor 10-13
dem früher geschriebenen „Tränenbrief“ zugehören, nach wie vor der Vor-
zug zu geben.
Freilich bleibt zunächst die Einordnung der vor der Versöhnung ge-
schriebenen Kapitel 10-13 am Ende rätselhaft und die Aufteilung des vor-
liegenden Brief ganzen wird erst dann Wahrscheinlichkeit bekommen, wenn

78 επιτίμια II Kor 2, 6.
79 Μ. Krenkel, Beiträge zur Aufhellung der Geschichte und der Briefe des Apo-
stels Paulus, 1890, S. 153ff.; H. Windisch, Der zweite Korintherbrief S. 16ff.;
A. Jülicher (- E. Fascher), Einleitung in das Neue Testament, 7. Aufl. 1931,
S. 98ff.
80 Vgl. II Kor 2, 6; 7, 11.
81 II Kor 2, 1; vgl. auch Kp. 9.
 
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