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Bornkamm, Günther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1961, 2. Abhandlung): Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes — Heidelberg, 1961

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https://doi.org/10.11588/diglit.44191#0037
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Die Vorgeschichte des sogenannten Zweiten Korintherbriefes

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Ist unsere Analyse wenigstens in den Grundzügen richtig, so ist ihr Er-
trag in mehrfacher Hinsicht wichtig. Das gleichsam zweidimensionale Do-
kument des überlieferten Briefes hat sich geöffnet und nun erst die dritte
Dimension eines überaus bewegten Abschnittes urchristlicher Geschichte
erschlossen. Darüber hinaus aber läßt sie uns an einem bedeutenden Bei-
spiel Einblicke in die sonst kaum noch aufzuhellenden Anfänge einer pau-
linischen Briefsammlung gewinnen und damit in die Urgeschichte des apo-
stolischen Kanons132.
würdiger Weise noch nicht als Vorschlag erwogen) dem I 5, 9 erwähnten Brief
entstammen. (Man beachte die Übereinstimmung der Thematik und die Tat-
sache, daß die Sätze I, 6, 9f. ihre korrigierende Interpretation in I 5, 9-13
finden.) Doch sind die Briefe A und B ja auf alle Fälle dicht nacheinander
geschrieben, und eine etwaige Aufteilung ergibt nicht entfernt eine so ereignis-
reiche Geschichte wie die Analyse des II Kor. - Eine echte Analogie wäre da-
gegen die Anfügung des m. E. sicher nicht ursprünglich dem Römerbrief zu-
gehörenden, sondern einem Brief nach Ephesus entstammenden Schlußkapitels
Röm 16 (über die Gründe dieser alten Hypothese vgl. die Kommentare und
Einleitungen in das NT). Ebenso scheint der Philipperbrief uneinheitlich und
aus (mindestens) 2 Briefen zusammengesetzt zu sein (vgl. W. Schmithals, Die
Irrlehrer des Philipperbriefes, Ztschr. f. Theol. u. Kirche, 64, 1957, S. 297ff.).
Dagegen halte ich die jüngste Aufteilungshypothese für den I Thess (K. G.
Eckart, Der zweite echte Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher,
Zeitschr. f. Theol. u. Kirche, 58, 1961, S. 30ff.) für unzureichend begründet. -
Wohl aber ist der Brief des Polycarp an die Philipper, wie jetzt auf Grund
der Untersuchungen von P. N. Harris, Polycarps two epistles to the Philip-
pians, 1936, und J. A. Fischer, Die Apostolischen Väter, 1956, S. 227ff. weithin
anerkannt ist, aus zwei Briefen zusammengefügt (vgl. auch H. v. Campen-
hausen, Artk. Polycarpbrief, Rel. in Gesch. u. Gegenw., 3. Aufl., V, 1961, Sp.
449). - Auf Interpolationen in echten Briefen oder auch fingierte Briefe, die
unter kräftiger Anleihe bei anderen Schriften hergestellt sind, soll hier nicht
eingegangen werden. Beispiele dafür bieten etwa der unechte Laodicener- und
der III. Korintherbrief sowie die Pseudo-Ignatianen (in einer verkürzten syri-
schen Rezension sind Ign Röm und Ign Trail kompiliert). Die Zahl dieser Bei-
spiele ließe sich auch aus dem Bereich antiker Briefliteratur und Briefsamm-
lungen sonst, wie ich nicht zweifle, beträchtlich vermehren.
132 Unter Berufung auf die marcionitischen Prologe zu den Paulusbriefen, die für
die Kor.- und Thess.-Briefe je nur eine Vorrede bieten, ist J. Knox, Marcion
and the New Testament, 1944, der Meinung, daß Marcion II Kor überhaupt
nicht als eigenen, sondern zusammen mit I Kor als einen Brief gekannt habe.
Als Urheber sei der Kompilator von II Kor 1-9 und 10-13 zu vermuten (S. 63).
Die Salutatio des II Kor sei erst bei Verselbständigung des „Briefes“ nach dem
Modell des I Kor nachträglich geschaffen (ähnlich beim II Thess). [Die These
ist auch von C. L. Mitton, The Formation of the Pauline Corpus of Leiters,
1955, übernommen.] Doch tragen die marcionitischen Prologe diese Hypothese
schwerlich. Ihr Interesse gilt durchgängig der Frage, wie sich die einzelnen
Gemeinden zum „verbum veritatis“ (gemeint ist das „paulinische“ Evan-
gelium) verhalten haben. Auch der Canon Muratori nennt zunächst nur die (7!)
Gemeinden, an die Paulus nach dem Muster der Offb. Joh. geschrieben
habe, zum Beweis, „daß eine Gemeinde über den ganzen Erdkreis verstreut

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