Luther als Schriftsteller
11
über die Schriftsteller im Lob der Torheit zu lesen15. Es ist eine Ironie
ganz anderer Art. Sie trifft nicht die Ruhmsucht als solche, sondern
das Mißverhältnis zwischen dem bißchen trügerischen Ruhm und den
aufgewandten Mühen, der unablässigen Putzerei am eigenen Stil,
die den Schlaf und die Gesundheit raubt, und dem lächerlichen Buh-
len um das Urteil der doch zumeist urteilslosen Zeitgenossen. Das
kümmerte Luther sowieso nicht. Er meint den Ruhm selbst und ist
ebenso frei, sich in souveränem Spott bei sich und bei anderen dar-
über zu erheben, wie sich - selten einmal - „in Gott“ der ihm ge-
schenkten Gaben zu rühmen16.
Dieses unliterarische, in der Kritik wie in der gelegentlichen
Freude naive, nicht auf Wirkung berechnete Verhältnis Luthers zu
seiner Schriftstellerei ist nicht einfach aus persönlichen Wesenszügen
zu verstehen, sondern aus dem Sinn, den er ihr gibt. Die aufschluß-
reiche Vorrede zur Wittenberger Ausgabe von 1539, von der wir
ausgingen, beginnt: „Gern hette ichs gesehen, das meine Bücher alle-
sampt weren dahinden blieben und untergangen“, und wiederholt
damit nur, was er oft genug ausgesprochen hat17. Es war nicht Re-
signation, wie sie ihn auch einmal anwandeln konnte18, sondern der
15 Kap. 50.
16 Das Thema dieses einfachen, unreflektierten „Rühmens“ im Sinne von Danken
führt weiter in die tiefere Schicht des reflektierten, paradoxen „Sichrühmens“
im Zusammenhang der von Gott gestellten Aufgabe. Das Vorbild dafür war
für Luther der Apostel Paulus und sein „törichtes“ und doch in der gegebenen
Situation notwendiges Rühmen (2. Kor. 11, 16ff.). Luther sieht sich in seinem
Kampf gegen die „Schwärmer“ und „Rottengeister“ in der gleichen Situation
wie Paulus gegenüber seinen korinthischen Gegnern und macht darum von sei-
nem Beispiel, wo es nötig ist, Gebrauch, vor allem gegenüber Müntzer (Ein
Brief an die Fürsten zu Sachsen von dem aufrührerischen Geist, 1524. 15; 215,
28ff.). Aber solches „Rühmen“ mündet zuletzt wie bei Paulus in das Rühmen
seiner „Schwachheit“, d. h. seiner geistlichen Anfechtungen, die wie der spitze,
grüne Stecken, an dem die Gänse aufgehängt werden, ihm „durch Leib und
Leben“ gehen. Für die Art, wie er sich aus der Erfahrung des Paulus und Pau-
lus aus seiner versteht, ist die Predigt über 2. Kor. 11, 19ff. (1536. 41, 512ff. ;
Zitat 515, 32ff.) sehr aufschlußreich. Nicht weniger, wie er die scharfe Ironie
des Paulus imitierend in trotzigen Humor transponieren kann (Sendbrief vom
Dolmetschen, 1530. 30 II; 635, 8ff.).
17 50; 657, 2. Holl, S. 399°. WA 58, 79ff. Intercidant, etiam me supplicante, si
quid me audiunt Bibliopolae, universi mei libelli. Gloria mea nihil est. Gaudeo
tarnen et alios surgere. 10 II; 329, 20 (1522). De tomis meorum librorum dis-
ponendis ego fridior sum et segnior, eo quod Saturnina fame percitus magis
cuperem eos omnes devoratos. An Capito 9. Juli 1537. Br. 8; 99, 5.
18 Es möcht einer schier mit Hiob und Jeremia sagen: Ich wolt, das ich nie geboren
11
über die Schriftsteller im Lob der Torheit zu lesen15. Es ist eine Ironie
ganz anderer Art. Sie trifft nicht die Ruhmsucht als solche, sondern
das Mißverhältnis zwischen dem bißchen trügerischen Ruhm und den
aufgewandten Mühen, der unablässigen Putzerei am eigenen Stil,
die den Schlaf und die Gesundheit raubt, und dem lächerlichen Buh-
len um das Urteil der doch zumeist urteilslosen Zeitgenossen. Das
kümmerte Luther sowieso nicht. Er meint den Ruhm selbst und ist
ebenso frei, sich in souveränem Spott bei sich und bei anderen dar-
über zu erheben, wie sich - selten einmal - „in Gott“ der ihm ge-
schenkten Gaben zu rühmen16.
Dieses unliterarische, in der Kritik wie in der gelegentlichen
Freude naive, nicht auf Wirkung berechnete Verhältnis Luthers zu
seiner Schriftstellerei ist nicht einfach aus persönlichen Wesenszügen
zu verstehen, sondern aus dem Sinn, den er ihr gibt. Die aufschluß-
reiche Vorrede zur Wittenberger Ausgabe von 1539, von der wir
ausgingen, beginnt: „Gern hette ichs gesehen, das meine Bücher alle-
sampt weren dahinden blieben und untergangen“, und wiederholt
damit nur, was er oft genug ausgesprochen hat17. Es war nicht Re-
signation, wie sie ihn auch einmal anwandeln konnte18, sondern der
15 Kap. 50.
16 Das Thema dieses einfachen, unreflektierten „Rühmens“ im Sinne von Danken
führt weiter in die tiefere Schicht des reflektierten, paradoxen „Sichrühmens“
im Zusammenhang der von Gott gestellten Aufgabe. Das Vorbild dafür war
für Luther der Apostel Paulus und sein „törichtes“ und doch in der gegebenen
Situation notwendiges Rühmen (2. Kor. 11, 16ff.). Luther sieht sich in seinem
Kampf gegen die „Schwärmer“ und „Rottengeister“ in der gleichen Situation
wie Paulus gegenüber seinen korinthischen Gegnern und macht darum von sei-
nem Beispiel, wo es nötig ist, Gebrauch, vor allem gegenüber Müntzer (Ein
Brief an die Fürsten zu Sachsen von dem aufrührerischen Geist, 1524. 15; 215,
28ff.). Aber solches „Rühmen“ mündet zuletzt wie bei Paulus in das Rühmen
seiner „Schwachheit“, d. h. seiner geistlichen Anfechtungen, die wie der spitze,
grüne Stecken, an dem die Gänse aufgehängt werden, ihm „durch Leib und
Leben“ gehen. Für die Art, wie er sich aus der Erfahrung des Paulus und Pau-
lus aus seiner versteht, ist die Predigt über 2. Kor. 11, 19ff. (1536. 41, 512ff. ;
Zitat 515, 32ff.) sehr aufschlußreich. Nicht weniger, wie er die scharfe Ironie
des Paulus imitierend in trotzigen Humor transponieren kann (Sendbrief vom
Dolmetschen, 1530. 30 II; 635, 8ff.).
17 50; 657, 2. Holl, S. 399°. WA 58, 79ff. Intercidant, etiam me supplicante, si
quid me audiunt Bibliopolae, universi mei libelli. Gloria mea nihil est. Gaudeo
tarnen et alios surgere. 10 II; 329, 20 (1522). De tomis meorum librorum dis-
ponendis ego fridior sum et segnior, eo quod Saturnina fame percitus magis
cuperem eos omnes devoratos. An Capito 9. Juli 1537. Br. 8; 99, 5.
18 Es möcht einer schier mit Hiob und Jeremia sagen: Ich wolt, das ich nie geboren