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Bornkamm, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1965, 1. Abhandlung): Luther als Schriftsteller: vorgelegt am 6. Juni 1964 — Heidelberg, 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.44206#0019
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LUTHER ALS SCHRIFTSTELLER

Fülestu dich und lessest dich düncken, du habest es
gewis, und kützelst dich mit deinen eigen Büchlin,
leren oder schreiben, als habestu es seer köstlich
gemacht und trefflich gepredigt, gefellet dir auch
seer, das man dich für andern lobe, Wilt auch vil-
leicht gelobet sein, sonst würdestu trauren oder ab-
lassen, Bistu der har1 2, Lieber, so greif dir selber
an deine Ohren, Und greiffestu recht, so wirstu
finden ein schön par grosser, langer, räucher
Eselsoren. So woge vollend die kost daran und
schmücke sie mit gülden schellen, auff das, wo du
gehest, man dich hören künde, mit fingern auff
dich weisen und sagen: Sehet, sehet, da gehet das
feine Thier, das so köstliche Bücher schreiben und
trefflich wol predigen kan.
Vorrede zum 1. Bande der Wittenberger Ausgabe
der deutschen Schriften (1.539)".

Dieses Wort Luthers an die Adresse der Schriftsteller sagt auch
etwas über den Schriftsteller Luther. Nicht nur etwas über einige sei-
ner hervorragendsten Stilmittel: einen grandiosen Humor und eine
Kraft der Anschauung, die das Bild nicht als Bild stehenläßt, sondern
in Handlung verwandelt, vielmehr zugleich etwas über sein eigenes
Verhältnis zur Schriftstellerei. Sein Spott empfängt seine Durch-
schlagskraft auch aus einem Stück von Selbstironie, das darin steckt.
Wenn es zwar richtig beobachtet ist, daß Luther von der „Freude des
Künstlers“ beim Schaffen seiner Werke überraschend wenig verspürt
hat3, so hat er doch die ursprüngliche Lust am Schreiben stark emp-

1 mit solchen Haaren, der Art.
2 Weimarer Ausgabe 50; 660, 31ff. Alle folgenden Zitate nach dieser Ausgabe.
3 Karl Holl, Luthers Urteile über sich selbst. In: Ges. Aufsätze zur Kirchen-
geschichte I. Luther (6. Aull. 1932), 398.
 
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