Luther als Schriftsteller
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an literarischen Vorbildern übrigbleibt, sind fast ausschließlich die
gebräuchlichen Gattungen der kirchlichen Arbeit: Predigten, Schrift-
auslegungen, Traktate, Gebetbücher, Streitschriften, theologische
Thesen, gelegentlich auch offene Briefe. In diesen einfachsten und
natürlichsten Formen, die ihm gegeben sind, entfaltet er die Kunst
seiner Sprache. Seine Schriften sind unmittelbare, auf die nächste
Gegenwart bezogene Mitteilung und Anrede - und darum, wie er
meint, vielleicht bestenfalls von einigem geschichtlichen Wert. Er
schriftstellert nicht, sondern er schreibt.
Aber auch diese überlieferten Muster gebraucht er so kunstlos und
sachlich wie möglich. Die zahlreichen, für sein populäres Schrifttum
der Jahre 1518-1521 bezeichnenden Sermone, größtenteils aus wirk-
lichen Predigten erwachsen, begnügen sich, auch wo sie vermutlich
nur literarische Produkte sind, mit der bloßen Durchzählung der
kleinen Gedankenabschnitte40. Nach der Wartburgzeit hat er sich
von diesem Schema frei gemacht, die Predigten nur noch als Predig-
ten gedruckt und vom Text her gegliedert, die Zählung aber bis in
seine späten Jahre nicht selten noch bei Einzelheiten verwendet.
Es war nicht selbstverständlich, daß Luther seinen kleinen Er-
bauungsschriften die schmuckloseste Form gab, die sich denken ließ.
Schon die ihm am nächsten liegenden Vorbilder, die Schriften von
Staupitz und die Deutsche Theologie, die er 1516 und 1518 mit Ent-
deckerfreude herausgab, waren doch wenigstens, wie oft im späten
Mittelalter, durch Kapitelüberschriften aufgelockert und übersicht-
tion im Spiegel der gleichzeitigen schweizerischen volkstümlichen Literatur
(1912), S. 6ff. Gottfried Blochwitz, Die antirömischen deutschen Flugschriften
in der frühen Reformationszeit (bis 1522) in ihrer religiös-sittlichen Eigenart,
Arch. f. Reformationsgesch. 27 (1930), 145-250. Kurt Uhrig, Der Bauer in der
Publizistik der Reformation bis zum Ausgang des Bauernkrieges, ebenda 33
(1936), 70-133, 165-225. Paul Böckmann, Der gemeine Mann in den Flug-
schriften der Reformation, Deutsche Vierteljahrsschrift f. Lit.wiss. u. Geistes-
gesch. 22 (1944), 186-230.
40 Literarisch vor allem die Gruppe von Ende 1519 und Anfang 1520 bis zu der
umfangreichen Schrift „Von den guten Werken“, die er bezeichnenderweise
nicht im Titel, wohl aber brieflich als Sermon bezeichnet^, 196) und innerhalb
der einzelnen Gebote, nach denen sie aufgebaut ist, durchnumeriert. Ich möchte
die Durchzählung nicht mit Bernhard Lohse, Luther als Disputator (Luther
34. 1963, S. 109, in Anlehnung an Heinrich Boehmer, vgl. bes. Luther im Lichte
der neueren Forschung, 51918, 291), als „Disputationsstil“ bezeichnen. Die klei-
nen Sermone haben nichts von einer Disputation, und zählen kann man auch
ohne dieses Vorbild. Wichtig ist nur, daß Luther die simpelste Form der Ge-
dankenreihung wählt.
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an literarischen Vorbildern übrigbleibt, sind fast ausschließlich die
gebräuchlichen Gattungen der kirchlichen Arbeit: Predigten, Schrift-
auslegungen, Traktate, Gebetbücher, Streitschriften, theologische
Thesen, gelegentlich auch offene Briefe. In diesen einfachsten und
natürlichsten Formen, die ihm gegeben sind, entfaltet er die Kunst
seiner Sprache. Seine Schriften sind unmittelbare, auf die nächste
Gegenwart bezogene Mitteilung und Anrede - und darum, wie er
meint, vielleicht bestenfalls von einigem geschichtlichen Wert. Er
schriftstellert nicht, sondern er schreibt.
Aber auch diese überlieferten Muster gebraucht er so kunstlos und
sachlich wie möglich. Die zahlreichen, für sein populäres Schrifttum
der Jahre 1518-1521 bezeichnenden Sermone, größtenteils aus wirk-
lichen Predigten erwachsen, begnügen sich, auch wo sie vermutlich
nur literarische Produkte sind, mit der bloßen Durchzählung der
kleinen Gedankenabschnitte40. Nach der Wartburgzeit hat er sich
von diesem Schema frei gemacht, die Predigten nur noch als Predig-
ten gedruckt und vom Text her gegliedert, die Zählung aber bis in
seine späten Jahre nicht selten noch bei Einzelheiten verwendet.
Es war nicht selbstverständlich, daß Luther seinen kleinen Er-
bauungsschriften die schmuckloseste Form gab, die sich denken ließ.
Schon die ihm am nächsten liegenden Vorbilder, die Schriften von
Staupitz und die Deutsche Theologie, die er 1516 und 1518 mit Ent-
deckerfreude herausgab, waren doch wenigstens, wie oft im späten
Mittelalter, durch Kapitelüberschriften aufgelockert und übersicht-
tion im Spiegel der gleichzeitigen schweizerischen volkstümlichen Literatur
(1912), S. 6ff. Gottfried Blochwitz, Die antirömischen deutschen Flugschriften
in der frühen Reformationszeit (bis 1522) in ihrer religiös-sittlichen Eigenart,
Arch. f. Reformationsgesch. 27 (1930), 145-250. Kurt Uhrig, Der Bauer in der
Publizistik der Reformation bis zum Ausgang des Bauernkrieges, ebenda 33
(1936), 70-133, 165-225. Paul Böckmann, Der gemeine Mann in den Flug-
schriften der Reformation, Deutsche Vierteljahrsschrift f. Lit.wiss. u. Geistes-
gesch. 22 (1944), 186-230.
40 Literarisch vor allem die Gruppe von Ende 1519 und Anfang 1520 bis zu der
umfangreichen Schrift „Von den guten Werken“, die er bezeichnenderweise
nicht im Titel, wohl aber brieflich als Sermon bezeichnet^, 196) und innerhalb
der einzelnen Gebote, nach denen sie aufgebaut ist, durchnumeriert. Ich möchte
die Durchzählung nicht mit Bernhard Lohse, Luther als Disputator (Luther
34. 1963, S. 109, in Anlehnung an Heinrich Boehmer, vgl. bes. Luther im Lichte
der neueren Forschung, 51918, 291), als „Disputationsstil“ bezeichnen. Die klei-
nen Sermone haben nichts von einer Disputation, und zählen kann man auch
ohne dieses Vorbild. Wichtig ist nur, daß Luther die simpelste Form der Ge-
dankenreihung wählt.
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