Kult der Winde in Athen und Kreta
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man natürlich in ihren Heiligtümern und auf ihren Altären geopfert.
Aber die eigentlichen Windgötter waren chthonische Wesen und
empfingen Ehren wie chthonische Gottheiten oder heroisierte Tote.
„Daß auch βωμοί der Winde erwähnt werden (Paus. 9, 34, 2), beweist
nichts dagegen; auch Heroen haben βωμούς14. Die im Windkult ge-
mäße Art des Opferns war jedenfalls nicht das θύειν, sondern das
έντέμνειν, έντομα ποιεΐν oder σφαγιάζεσθαι, blutige Opfer bei denen
das Opferblut des geschächteten Tieres in Gruben (βόθροι) gegossen
wurde, um in die Erde zu dringen, Opfer bei denen man von dem
Opferfleisch nicht aß, sondern die Opfertiere verbrannte oder in der
Erde vergrub. Die Menschenopfer der Vorzeit werden dabei schon
frühzeitig durch Tieropfer abgelöst worden sein: vielleicht waren
Tieropfer auch schon in der Vorzeit üblich und wurden nur bei beson-
deren Anlässen durch Menschenopfer ersetzt.
Als 480 v. Chr. die persische Flotte am Pelion vom Sturme heim-
gesucht wurde, da brachten die Perser, wie Herodot (7, 191) berichtet,
auf Rat der Magier den Winden unter Zaubersprüchen Heroenopfer
dar (έντομα ποιεύντες), während sie der Thetis und den Nereiden —
wohl am Altar der Thetis an der Sepiasküste - opferten (θύοντες).
Diese Art der Windopfer aus ad hoc gegebenem Anlaß hat nur sel-
ten — etwa bei besonderen historischen Ereignissen — literarischen
Niederschlag gefunden; sie muß aber häufig geübt worden sein, denn
sie kommt über lange Zeiträume hinweg immer wieder unverändert
zum Vorschein. So berichtet etwa Xenophon (Anab. 4, 5, 4): Als die
Zehntausend das armenische Bergland überquerten und von einem
Sturm überfallen wurden, riet einer von den Sehern, man solle dem
Wind ein Opfer bringen (σφαγιάζεσθαι τω άνέμω), und man opferte,
und allen schien es, daß die Schwere des Sturmes (τό χαλεπόν τού
πνεύματος) daraufhin sichtlich nachließ.
Wie hier bei Xenophon wird in der Regel ein Seherspruch ein sol-
ches Windopfer ausgelöst haben. Als Dank für die Hilfe in der Not
mag sich öfters die Stiftung eines Kultes angeschlossen haben. So rie-
fen die Athener in ihrer Not in den Perserkriegen den Boreas auf
Grund eines Seherspruches (εκ θεοπροπίου) an, da ihnen ein anderer
Orakelspruch (χρηστήριον) geraten hatte, ihren ,Schwiegersohn' als
Helfer zu rufen (Her. 7, 189)15. Als Dank für die mehrfache Hilfe
14 Stengel 1881, 350.
15 Über Boreas und Oreithyia auf einigen rotfigurigen Vasenbildern: W. R. Agard,
The Class. Journal 61 (1966) 241ff.; zusammenfassend: E. Simon, Boreas und
Oreithyia. In dem ,Lexikon der Antiken Welt“ (1965) s. v. Boreas (K. Schauen-
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man natürlich in ihren Heiligtümern und auf ihren Altären geopfert.
Aber die eigentlichen Windgötter waren chthonische Wesen und
empfingen Ehren wie chthonische Gottheiten oder heroisierte Tote.
„Daß auch βωμοί der Winde erwähnt werden (Paus. 9, 34, 2), beweist
nichts dagegen; auch Heroen haben βωμούς14. Die im Windkult ge-
mäße Art des Opferns war jedenfalls nicht das θύειν, sondern das
έντέμνειν, έντομα ποιεΐν oder σφαγιάζεσθαι, blutige Opfer bei denen
das Opferblut des geschächteten Tieres in Gruben (βόθροι) gegossen
wurde, um in die Erde zu dringen, Opfer bei denen man von dem
Opferfleisch nicht aß, sondern die Opfertiere verbrannte oder in der
Erde vergrub. Die Menschenopfer der Vorzeit werden dabei schon
frühzeitig durch Tieropfer abgelöst worden sein: vielleicht waren
Tieropfer auch schon in der Vorzeit üblich und wurden nur bei beson-
deren Anlässen durch Menschenopfer ersetzt.
Als 480 v. Chr. die persische Flotte am Pelion vom Sturme heim-
gesucht wurde, da brachten die Perser, wie Herodot (7, 191) berichtet,
auf Rat der Magier den Winden unter Zaubersprüchen Heroenopfer
dar (έντομα ποιεύντες), während sie der Thetis und den Nereiden —
wohl am Altar der Thetis an der Sepiasküste - opferten (θύοντες).
Diese Art der Windopfer aus ad hoc gegebenem Anlaß hat nur sel-
ten — etwa bei besonderen historischen Ereignissen — literarischen
Niederschlag gefunden; sie muß aber häufig geübt worden sein, denn
sie kommt über lange Zeiträume hinweg immer wieder unverändert
zum Vorschein. So berichtet etwa Xenophon (Anab. 4, 5, 4): Als die
Zehntausend das armenische Bergland überquerten und von einem
Sturm überfallen wurden, riet einer von den Sehern, man solle dem
Wind ein Opfer bringen (σφαγιάζεσθαι τω άνέμω), und man opferte,
und allen schien es, daß die Schwere des Sturmes (τό χαλεπόν τού
πνεύματος) daraufhin sichtlich nachließ.
Wie hier bei Xenophon wird in der Regel ein Seherspruch ein sol-
ches Windopfer ausgelöst haben. Als Dank für die Hilfe in der Not
mag sich öfters die Stiftung eines Kultes angeschlossen haben. So rie-
fen die Athener in ihrer Not in den Perserkriegen den Boreas auf
Grund eines Seherspruches (εκ θεοπροπίου) an, da ihnen ein anderer
Orakelspruch (χρηστήριον) geraten hatte, ihren ,Schwiegersohn' als
Helfer zu rufen (Her. 7, 189)15. Als Dank für die mehrfache Hilfe
14 Stengel 1881, 350.
15 Über Boreas und Oreithyia auf einigen rotfigurigen Vasenbildern: W. R. Agard,
The Class. Journal 61 (1966) 241ff.; zusammenfassend: E. Simon, Boreas und
Oreithyia. In dem ,Lexikon der Antiken Welt“ (1965) s. v. Boreas (K. Schauen-