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Hampe, Roland; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1967, 1. Abhandlung): Kult der Winde in Athen und Kreta — Heidelberg, 1967

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https://doi.org/10.11588/diglit.44211#0026
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Roland Hampe

(δτε οί κατέδησας άήτας), entspricht dem später bezeugten Fachaus-
druck καταδεσμοί für solche magischen Beschwörungen35.
Daß man Gesängen magische Wirkung auf die Winde zuschrieb,
zeigt auch ein Parthenion des Pindar (Fr. 94 b/Snell, v. llff.). Dort
beschwichtigt (σιγάζει) das Singen der Sirenen zur Musik von Lotos-
flöten die schnellen Winde des Zephyros, ja es kommt sogar gegen
den starrenden Nordsturm des Boreas auf36. Ebensolche Kraft wird
man den Zauberliedern zugemessen haben, welche die persischen
Magier am Pelion und der Priester in Titane zur Beschwichtigung
der Winde sangen. Wie lange sich der Glaube an die Kraft solcher
Windbeschwörung gehalten hat und wie ernst sie genommen wurde,
das zeigt eine spätantike Überlieferung37. Als in Konstantinopel
unter Konstantin eine Hungersnot herrschte und die Schiffe mit den
Lebensmitteln, durch widrige Winde abgehalten, nicht herbeikamen,
wurde der Philosoph Sopatros, ein Schüler des Jamblichos, angezeigt,
er habe durch Windzauber die Winde festgehalten (κατέδησε τούς
άνεμους). Der Kaiser glaubte den Anschuldigungen und ließ ihn auf
der Stelle hinrichten.
Noch weit über die byzantinische Zeit hinaus, bis vor etwa 200
Jahren, wurden auf der Insel Ikaria Windbeschwörungen durchge-
führt38. Oben auf dem Berg an einem Platz, der άνεμοτάφια genannt
wird, hat man den Wind begraben, indem man einen Wasserkrug in
einer Grube versenkte und dazu Zauberformeln sprach. Jeder der
Anwesenden warf einen Stein auf das Windgrab und stieß dazu
einen Fluch aus39. Der Brauch wurde dann durch die Kirche verboten.
In entlegenen Ortschaften Kretas wird sogar heute noch Wind-
zauber im antiken Sinne ausgeübt. Im Jahr 1964 wurde im Dorf
Paranymphos im Kreis Iraklion durch das Laographische Archiv fol-
gende Zeremonie zur Windbeschwichtigung beobachtet und in Be-
schreibung sowie durch Filmaufnahme festgehalten40. Zur Abwehr
und Beschwichtigung des Windes, der das Worfeln (τό λίκνισμα) des
Getreides verhinderte, wurde ein περισχοινισμός χωρίου durchgeführt,

35 Vgl. Strömberg a. 0. (hier Anm. 30).
36 Vgl. R. Hampe und E. Simon, Griechisches Leben im Spiegel der Kunst (1959) 6.
37 Eunapios von Sardes in der Vita des Aidesios p. 23 Boiss., vgl. Fiedler 22.
38 G. A. Megas u. N. Μ. Kontoleon, Λαογραφία 16 (1956) 250ff. Den Hinweis ver-
danke ich N. Kontoleon.
38 Die neugriechische Redensart νά πετρόσης τόν άνεμο, die mir L. Politis nannte,
mag auf derartiges Steinigen bei Windbeschwörungen zurückgehn.
40 Laographisches Archiv Athen, Manuskript Nr. 2884, Film Nr. 19. Den Hinweis
verdanke ich G. Spyridakis.
 
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