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Hampe, Roland; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1967, 1. Abhandlung): Kult der Winde in Athen und Kreta — Heidelberg, 1967

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https://doi.org/10.11588/diglit.44211#0036
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Roland Hampe

und an den Seiten der Hörner stehen“74. Kenna spricht von einer
„goddess blowing a conch-shell“75.
Tritonmuscheln sind an manchen prähistorischen Fundstätten zu-
tage gekommen, in Häusern, wo sie als Gefäße gebraucht worden
waren, oder als Grabbeigaben. Im minoischen Bereich sind sie uns
vertraut aus Gräbern sowie aus Heiligtümern — in natura, in Nach-
bildungen aus Alabaster, Fayence oder bemalter Terrakotta, zum
Teil von Miniaturformat76. Wozu sie dort gedient haben, wissen wir
noch nicht.
Auf unserer Gemme haben wir das bisher einzig gesicherte prä-
historische Zeugnis dafür, daß auf diesen Muscheln auch geblasen
wurde - und dies bei einer Kulthandlung. Rechts (auf dem Abdruck)
ein Altar minoischer Art, darüber ein Doppelhorn mit eingesteckten
Zweigen — nicht Bäumen; die Andeutung eines Baumes darf man
vielmehr hinter der Frau erblicken. Rechts neben dem Altar ein
Stern - gewiß ein heiliges Symbol. Was bedeutet aber der Gegen-
stand zwischen dem Altar und dem strengstilisierten Krinolinenrock
der Frau? Man könnte es nach den Zeichnungen für die Andeutung
eines Fetisches, eines Idols von der Art der Kykladen-Idole halten.
Das Studium des Originals gibt indessen Aufschluß, und auch die
Photographie des Originals (hier Taf. VII) läßt erkennen: auch hier
ein kleinerer Tragaltar, in dessen Mitte offenbar ebenfalls ein pflanz-
liches Gebilde steckt; denn es gehen nach beiden Seiten kleine Zweige
von ihm aus. Wir sehen in der Frau keine Adorantin und keine
Göttin. Wir möchten sie vielmehr für eine Priesterin halten; wenn
aber eine Priesterin, so fragen wir — und nur als Frage ist dies vor-
erst möglich - dann etwa eine „Priesterin der Winde“? Ob sie ins
Muschelhorn bläst, „um eine Gottheit herbeizurufen“, wie Nilsson
annahm, oder etwa, um sie zu erfreuen, zu besänftigen, zu vertrei-
ben77, möchten wir dabei ganz offen lassen. Der römische Altar der
Winde (ARA VENTORUM)78 zeigt - unter dem vorkragenden
rostrum — einen jungen, dahinschwebenden Windgott. Er bläst mit
74 Μ. P. Nilsson, The Minoan-Mycenaean Religion and its Survival in Greek
Religion2 (1950) 153 Abb. 61. — Ders., Geschichte der Griech. Religion 2I (1955)
281 u. passim, Taf. VII 4.
75 Kenna (hier Anm. 69) 65.
70 Vgl. Evans 1901 (hier Anm. 68); Evans 1921 (hier Anm. 73); Nilsson 1950 (hier
Anm. 74).
77 Vgl. H. Herter, Böse Dämonen im frühgriech. Volksglauben, Rhein. Jahrbuch
für Volkskunde 1 (1950) 112ff. passim.
78 Vgl. hier Anm. 61.
 
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