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Hampe, Roland; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1967, 1. Abhandlung): Kult der Winde in Athen und Kreta — Heidelberg, 1967

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https://doi.org/10.11588/diglit.44211#0040
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Roland Hampe

angehende Untersuchung gezeigt, daß diese Winde als Götter ver-
ehrt wurden.
Sicher zwei Winde sind gemeint Ilias XVI 765 ώς δ’Εύρός τε Νότος
τ’ έριδαίνετον άλλήλοιιν, wo das Prädikat im Dual steht. Dort streiten
der Euros und der Notos miteinander, können also nicht identisch
sein. Jeder von ihnen ist einer der vier Hauptwinde, wie sie an der
berühmten Stelle der Odyssee 5, 295f. genannt sind:
συν δ’ Εύρος τε Νότος τε πέσον Ζέφυρος τε δυσαής
καί Βορέης αιθρηγενέτης, μέγα κύμα κυλίνδων.
Man beachte auch hier wieder den Singular des Partizips, das sich,
da ein Seesturm beschrieben ist, auf alle vier Winde beziehen muß,
hier aber nur mit dem zuletzt genannten, dem Boreas, kongruiert.
Dieser homerischen Auffassung von den Winden folgt auch Ver-
gil, Aeneis 2, 416 ff.
adversi rupto ceu quondam turbine venti
confligunt, Zephyrusque Notusque et laetus eois
Eurus equis.
Die Stelle Odyssee 12, 325f. könnte gegen unsere Trennung von Eu-
ros und Notos sprechen:
μήνα δέ πάντ’ αλληκτος αει Νότος, ουδέ τις αλ?ως
γίγνετ’ έ'πειτ’ ανέμων ε’ι μή Εύρος τε Νότος τε.
Doch ist der Widerspruch nur ein scheinbarer, denn durch έπειτ’ wer-
den die beiden Aussagen gegliedert. Wir übersetzen: Den ganzen
Monat blies unverändert der Notos und auch dann entstand kein an-
derer Wind außer dem Euros und dem Notos (nämlich dem Südost-
wind und dem Süd- oder Südwestwind, welche beide die Abfahrt
verhinderten).
Man wird aus dem Vorangehenden verstehen, daß ich an meiner
Interpretation des Sturmgleichnisses von Ikaria festhalte. Eine Mi-
schung der beiden Windnamen Euros und Notos zum „Euronotos“ ist
uns erst bei Aristoteles bezeugt (Meteorologica 394 b 33). Diese For-
mulierung ist ein Anzeichen für eine inzwischen eingetretene stärkere
Differenzierung der „Windrose“. Die Verschmelzung von Euros und
Notos zu einem einzigen Windnamen scheint indessen nicht durch-
gedrungen zu sein. Dies läßt sich in Athen noch am „Turm der
Winde“ aus dem 1. Jh. v. Chr. ablesen, nämlich an den inschrift-
lich gesicherten „ Reliefdarstellungen der einzelnen Winde von
 
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