Oonseil des barons» und «jugement des barons;
13
Um über das Unterwerfungs- und Friedensangebot Marsilies zu
entscheiden, beruft Karl seine Vasallen ein zum Rat, mit einei' sprach-
lichen Wendung, die sich durch zahlreiche Belege in anderen chan-
sons de geste als die übliche feste Formel erweist: Ses baruns mandet
pur sun conseill finer (v. 166, vgl. v. 169)23. Der nächste Vers lautet:
par cels de France voelt il del tut errer. Errer und das dazugehörige
Substantiv errement sind, wie Heinrich Brunner schon 1868 gezeigt
hat, juristische Termini mit der Bedeutung: «einen Prozeß durch-
führen», «prozessualer Akt»24. Bereits jetzt drängen sich zwei Fra-
gen auf: 1. Der Kaiser will die Entscheidung durch den Rat der
Franken herbeiführen: will er oder muß er? 2. Wieso unterliegt
der Beschluß über Frieden oder Krieg einem Verfahren, wie es der
Rechtsprechung eignet? Die erste Frage ist für die erste Phase des
conseil leicht zu beantworten: kein mittelalterlicher Fürst kann bei
Kriegszügen im feindlichen Land über Beendigung oder Weiter-
führung des Krieges entscheiden ohne die Zustimmung seiner Va-
sallen, schon gar nicht unter den erschwerten Bedingungen des
Kreuzzugs. Der Dichter scheint die Bereitschaft Karls hierzu noch
unterstreichen zu wollen25. Die Antwort auf die zweite Frage muß
suspendiert werden. Der Vers, der Karls Bereitwilligkeit zur Kon-
sultierung seiner Barone bekundet, beschließt die Laisse 11. Der-
selbe conseil, den er somit gemäß dem Brauch einberuft, erscheint im
letzten Vers der nächsten Laisse als der cunseill que mal prist. Wir
wissen, wie sorgfältig der Rolanddichter komponiert. Der Parallelis-
mus der beiden Laissenschlüsse ermächtigt uns zu der Vermutung,
daß das Unheil aus dem für die curia regis geltenden Recht selber
hervorgehen soll.
Im Rat erhebt sich Roland als erster, warnt vor der Hinterlist des
Heidenkönigs, die schon einmal zwei Gesandten das Leben kostete,
und fordert die Belagerung Saragossas. Der Kaiser schweigt, streicht
seinen Bart und zwirbelt seinen Schnurrbart, d. h. er denkt nach,
ein Privileg, das der Dichter allein ihm vorbehält. Die Franken
schweigen wie er (v. 214ff.) Ganelon tritt hervor und plädiert leiden-
schaftlich und mit kaum verhülltem Seitenhieb auf die rücksichtslose
23 Belege aus anderen chansons de geste hat Frl. A. Scharffenorth in einer Heidel-
berger Staatsexamensarbeit von 1962 zusammengestellt.
24 H. Brunner, Wort und Form im altfranzösischen Prozeß, in: Forschungen zur
Geschichte des deutschen und französischen Rechts. Gesammelte Aufsätze, Stutt-
gart 1894, S.275.
25 V. 167 (Laissenschluß).
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Um über das Unterwerfungs- und Friedensangebot Marsilies zu
entscheiden, beruft Karl seine Vasallen ein zum Rat, mit einei' sprach-
lichen Wendung, die sich durch zahlreiche Belege in anderen chan-
sons de geste als die übliche feste Formel erweist: Ses baruns mandet
pur sun conseill finer (v. 166, vgl. v. 169)23. Der nächste Vers lautet:
par cels de France voelt il del tut errer. Errer und das dazugehörige
Substantiv errement sind, wie Heinrich Brunner schon 1868 gezeigt
hat, juristische Termini mit der Bedeutung: «einen Prozeß durch-
führen», «prozessualer Akt»24. Bereits jetzt drängen sich zwei Fra-
gen auf: 1. Der Kaiser will die Entscheidung durch den Rat der
Franken herbeiführen: will er oder muß er? 2. Wieso unterliegt
der Beschluß über Frieden oder Krieg einem Verfahren, wie es der
Rechtsprechung eignet? Die erste Frage ist für die erste Phase des
conseil leicht zu beantworten: kein mittelalterlicher Fürst kann bei
Kriegszügen im feindlichen Land über Beendigung oder Weiter-
führung des Krieges entscheiden ohne die Zustimmung seiner Va-
sallen, schon gar nicht unter den erschwerten Bedingungen des
Kreuzzugs. Der Dichter scheint die Bereitschaft Karls hierzu noch
unterstreichen zu wollen25. Die Antwort auf die zweite Frage muß
suspendiert werden. Der Vers, der Karls Bereitwilligkeit zur Kon-
sultierung seiner Barone bekundet, beschließt die Laisse 11. Der-
selbe conseil, den er somit gemäß dem Brauch einberuft, erscheint im
letzten Vers der nächsten Laisse als der cunseill que mal prist. Wir
wissen, wie sorgfältig der Rolanddichter komponiert. Der Parallelis-
mus der beiden Laissenschlüsse ermächtigt uns zu der Vermutung,
daß das Unheil aus dem für die curia regis geltenden Recht selber
hervorgehen soll.
Im Rat erhebt sich Roland als erster, warnt vor der Hinterlist des
Heidenkönigs, die schon einmal zwei Gesandten das Leben kostete,
und fordert die Belagerung Saragossas. Der Kaiser schweigt, streicht
seinen Bart und zwirbelt seinen Schnurrbart, d. h. er denkt nach,
ein Privileg, das der Dichter allein ihm vorbehält. Die Franken
schweigen wie er (v. 214ff.) Ganelon tritt hervor und plädiert leiden-
schaftlich und mit kaum verhülltem Seitenhieb auf die rücksichtslose
23 Belege aus anderen chansons de geste hat Frl. A. Scharffenorth in einer Heidel-
berger Staatsexamensarbeit von 1962 zusammengestellt.
24 H. Brunner, Wort und Form im altfranzösischen Prozeß, in: Forschungen zur
Geschichte des deutschen und französischen Rechts. Gesammelte Aufsätze, Stutt-
gart 1894, S.275.
25 V. 167 (Laissenschluß).