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Erich Köhler
Zahl ihren Ursprung wahrscheinlich weniger in der Bibel als in der
Bedeutung des Duodezimalsystems und der Zwölf als einer Organi-
sationseinheit der Lehensgesellschaft hat32, den Kern der königlichen
Hausmacht, des stets verfügbaren, unbedingt loyalen Gefolges, der
maisnee™. Der Text, speziell Karls spätere bittere Klagen über den
Les origines de l’ancienne France, Paris 1893, II, S. 471ff. vgl. auch J. Bedier,
La Chanson de Roland commentee, Paris 1927, S. 306.
32 Hierauf machte mich Herr Kollege K. F. Werner, ein hervorragender Kenner
der Geschichte des französischen Mittelalters, freundlicherweise aufmerksam.
Zur profanen Bedeutung der Zwölfzahl sei neben dem allgemein Bekannten
auf folgende Fakten hingewiesen:
In karolingischer Zeit muß, wer 12 «mansus» besitzt, seinen Kriegsdienst
als Panzerreiter leisten (s. E. Mayer, Deutsche und französische Verfassungs-
geschichte vom 9. bis zum 14. Jahrhundert, Leipzig 1899, Bd. I, S. 132f.). 1133
begründet der Bischof von Bayeux 120 «fiefs de haubert» (Helmlehen) (s. E.
Perroy, La feodalite en France du Xe au Xlle siede. I: L’aristocratie fon-
ciere et la formation de la classe chevaleresque. Les Cours de Sorbonne, s. d.
S. 112). Die Abtei Lorsch hat in der 2. Hälfte des 11. Jhs. 12 Vasallen auf 12
«Vollehen», die den Hof des Abts bildeten (s. Guilhiermoz, a. a. 0., S. 174);
der Schwabenspiegel verlangt von einem Lehensherrn, der Gerichtsbarkeit be-
ansprucht, daß er mindestens 12 Vasallen habe (Guilhiermoz S. 174f., dort u.
bes. Fn. 13) zahlreiche weitere Belege). Die von Dämaso Alonso entdeckte Nota
Emilianense (La primitiva epica francesa a la luz de una Nota Emilianense,
Madrid 1954) aus dem 3. Viertel des 11. Jhs. berichtet, Karl der Große habe
zwölf Neffen, darunter Roland, gehabt, deren jeder ihm einen Monat des
Jahres mit dreitausend Rittern Kriegsdienst geleistet habe (vgl. Menendez
Pidal, a. a. O., S. 384ff.). «Nach einer alten Tradition, die von den sogenannten
Annales Einhardi bis auf den Traktat über das Ämterwesen zurückreicht, (ge-
hören) zwölf Grafschaften zu einem Herzogtum» (H. Brunner, Deutsche Rechts-
geschichte, 2 Bd. S. 195). «Die Zwölfzahl selbst mußte sich für sie (die pairs)
geradezu auf drängen; denn sie spielte ja überall eine Rolle und ist auch sonst
bei Einrichtungen des französischen Staates berücksichtigt worden» (P. E.
Schramm a. a. Ο. I, S. 172, mit Hinweis auf E. Mayer, Die Pairs am französi-
schen Königsgericht, in Mitteilgn. des Inst, für österreichische Geschichtsfor-
schung 32 (1911) S. 450ff., dort weitere Belege). Zur Bedeutung der Symbolik
der Zwölfzahl besonders bei Cluniazensern und Cisterziensern s. G. Schreiber,
Gemeinschaften des Mittelalters, Recht und Verfassung, Kult und Frömmig-
keit, Münster 1948, S. 43, 90, 225f., 423. Über den Zusammenhang mit der
Tafelrunde des Königs Artus s. E. Köhler, Ideal und Wirklichkeit in der höfi-
schen Epik. Studien zur Form der frühen Artus- und Graldichtung, Tübingen
1956, S. 18ff. Man wird somit sagen dürfen, daß die für die Dichtung wie für
die Geschichte so bedeutsame Zwölfzahl der Pairs der Chanson de Roland nicht
ein rätselhaftes Phänomen darstellt, sondern ganz natürlich in der Realität des
sich herausbildenden Feudalrechts wurzelt.
33 Zur «maisnee» vgl. allgemein J. Flach, a. a. Ο. II, S. 455ff. und Guilhiermoz,
a. a. O., S. 246ff.
Erich Köhler
Zahl ihren Ursprung wahrscheinlich weniger in der Bibel als in der
Bedeutung des Duodezimalsystems und der Zwölf als einer Organi-
sationseinheit der Lehensgesellschaft hat32, den Kern der königlichen
Hausmacht, des stets verfügbaren, unbedingt loyalen Gefolges, der
maisnee™. Der Text, speziell Karls spätere bittere Klagen über den
Les origines de l’ancienne France, Paris 1893, II, S. 471ff. vgl. auch J. Bedier,
La Chanson de Roland commentee, Paris 1927, S. 306.
32 Hierauf machte mich Herr Kollege K. F. Werner, ein hervorragender Kenner
der Geschichte des französischen Mittelalters, freundlicherweise aufmerksam.
Zur profanen Bedeutung der Zwölfzahl sei neben dem allgemein Bekannten
auf folgende Fakten hingewiesen:
In karolingischer Zeit muß, wer 12 «mansus» besitzt, seinen Kriegsdienst
als Panzerreiter leisten (s. E. Mayer, Deutsche und französische Verfassungs-
geschichte vom 9. bis zum 14. Jahrhundert, Leipzig 1899, Bd. I, S. 132f.). 1133
begründet der Bischof von Bayeux 120 «fiefs de haubert» (Helmlehen) (s. E.
Perroy, La feodalite en France du Xe au Xlle siede. I: L’aristocratie fon-
ciere et la formation de la classe chevaleresque. Les Cours de Sorbonne, s. d.
S. 112). Die Abtei Lorsch hat in der 2. Hälfte des 11. Jhs. 12 Vasallen auf 12
«Vollehen», die den Hof des Abts bildeten (s. Guilhiermoz, a. a. 0., S. 174);
der Schwabenspiegel verlangt von einem Lehensherrn, der Gerichtsbarkeit be-
ansprucht, daß er mindestens 12 Vasallen habe (Guilhiermoz S. 174f., dort u.
bes. Fn. 13) zahlreiche weitere Belege). Die von Dämaso Alonso entdeckte Nota
Emilianense (La primitiva epica francesa a la luz de una Nota Emilianense,
Madrid 1954) aus dem 3. Viertel des 11. Jhs. berichtet, Karl der Große habe
zwölf Neffen, darunter Roland, gehabt, deren jeder ihm einen Monat des
Jahres mit dreitausend Rittern Kriegsdienst geleistet habe (vgl. Menendez
Pidal, a. a. O., S. 384ff.). «Nach einer alten Tradition, die von den sogenannten
Annales Einhardi bis auf den Traktat über das Ämterwesen zurückreicht, (ge-
hören) zwölf Grafschaften zu einem Herzogtum» (H. Brunner, Deutsche Rechts-
geschichte, 2 Bd. S. 195). «Die Zwölfzahl selbst mußte sich für sie (die pairs)
geradezu auf drängen; denn sie spielte ja überall eine Rolle und ist auch sonst
bei Einrichtungen des französischen Staates berücksichtigt worden» (P. E.
Schramm a. a. Ο. I, S. 172, mit Hinweis auf E. Mayer, Die Pairs am französi-
schen Königsgericht, in Mitteilgn. des Inst, für österreichische Geschichtsfor-
schung 32 (1911) S. 450ff., dort weitere Belege). Zur Bedeutung der Symbolik
der Zwölfzahl besonders bei Cluniazensern und Cisterziensern s. G. Schreiber,
Gemeinschaften des Mittelalters, Recht und Verfassung, Kult und Frömmig-
keit, Münster 1948, S. 43, 90, 225f., 423. Über den Zusammenhang mit der
Tafelrunde des Königs Artus s. E. Köhler, Ideal und Wirklichkeit in der höfi-
schen Epik. Studien zur Form der frühen Artus- und Graldichtung, Tübingen
1956, S. 18ff. Man wird somit sagen dürfen, daß die für die Dichtung wie für
die Geschichte so bedeutsame Zwölfzahl der Pairs der Chanson de Roland nicht
ein rätselhaftes Phänomen darstellt, sondern ganz natürlich in der Realität des
sich herausbildenden Feudalrechts wurzelt.
33 Zur «maisnee» vgl. allgemein J. Flach, a. a. Ο. II, S. 455ff. und Guilhiermoz,
a. a. O., S. 246ff.