Conseil des barons» und «jugement des barons»
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wird und die Pairs sowie die 20 000 Franken, die sonst die Vorhut
des Heeres bilden59, sich Roland anschließen werden. Und so ge-
schieht es auch. Der Dichter gibt den Vorgang diesmal mit Verkür-
zung wieder. Kaum hat der Kaiser seine Vasallen auf gefordert, je-
mand für die Nachhut zu benennen - «Kar me jugez ki ert en la
reregarde!» (v. 744) - da antwortet Ganelon:
«Rollant, eist miens fillastre:
N’avez baron de si grant vasselage». (v. 743 f.)
Der Wortlaut entspricht genau dem, den Roland zuvor bei seiner
Benennung Ganelons zum Gesandten gewählt hatte, sachlich zu-
treffend und bösartig zugleich wie jener60. Kalt genießt Ganelon die
Revanche: des Kaisers Ausbruch:
«Vos estes vifs diables;
El cors vos est entree mortel rage» (v. 746 f.)
und Rolands wütende Beschimpfung. Für alle Beteiligten ist die
Entscheidung gefallen. Roland erbittet von Karl den Bogen, Insignie
des Kommandos über die Nachhut. Der Kaiser aber, durch einen
prophetischen Traum die Nacht zuvor von argen Ahnungen erfüllt,
hält das Haupt gesenkt, dreht Bart und Schnurrbart und kann sich
nicht enthalten, gemäß epischem Stil aus den Augen zu weinen. Er
ist hilflos. Die Franken haben dem Vorschlag Ganelons zuge-
stimmt61. Doch erst muß Naimes den Kaiser an seine Pflicht erin-
nern, das jugement, an dem niemand etwas ändern kann, zu rati-
fizieren:
«Ben l’avez entendut:
■ Li quens R.ollant il est mult irascut;
La rereguarde est jugee sur lui;
N’avez baron ki jamais la remut
Dunez li Γarc que vos avez tendut.» (v. 776 ff.) ■
Karl reicht seinem Neffen den Bogen. Das Verhängnis nimmt seinen
Lauf.
59 Les duze pers que Carles ad tant chers
Funt les enguardes a vint mil(ie) chevalers.
(v. 547f., fast gleichlautend v. 560f.).
60 Vgl. oben S. 20 und Anm. 41).
61 Die Zustimmung der Versammlung wird diesmal nicht eigens erwähnt, sei es,
daß der Dichter dies nicht für nötig hielt oder ein Fehler der Handschrift vor-
liegt, sei es, daß das — ebenfalls nicht vermerkte — Schweigen der Versamm-
lung Zustimmung bedeutet: Sowohl Karl wie Roland akzeptieren den Vor-
schlag als Beschluß, er gilt als «jugement» (vgl. vv. 742, 751, 754) und ist, wie
Naimes unterstreicht, als solcher unabänderlich.
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wird und die Pairs sowie die 20 000 Franken, die sonst die Vorhut
des Heeres bilden59, sich Roland anschließen werden. Und so ge-
schieht es auch. Der Dichter gibt den Vorgang diesmal mit Verkür-
zung wieder. Kaum hat der Kaiser seine Vasallen auf gefordert, je-
mand für die Nachhut zu benennen - «Kar me jugez ki ert en la
reregarde!» (v. 744) - da antwortet Ganelon:
«Rollant, eist miens fillastre:
N’avez baron de si grant vasselage». (v. 743 f.)
Der Wortlaut entspricht genau dem, den Roland zuvor bei seiner
Benennung Ganelons zum Gesandten gewählt hatte, sachlich zu-
treffend und bösartig zugleich wie jener60. Kalt genießt Ganelon die
Revanche: des Kaisers Ausbruch:
«Vos estes vifs diables;
El cors vos est entree mortel rage» (v. 746 f.)
und Rolands wütende Beschimpfung. Für alle Beteiligten ist die
Entscheidung gefallen. Roland erbittet von Karl den Bogen, Insignie
des Kommandos über die Nachhut. Der Kaiser aber, durch einen
prophetischen Traum die Nacht zuvor von argen Ahnungen erfüllt,
hält das Haupt gesenkt, dreht Bart und Schnurrbart und kann sich
nicht enthalten, gemäß epischem Stil aus den Augen zu weinen. Er
ist hilflos. Die Franken haben dem Vorschlag Ganelons zuge-
stimmt61. Doch erst muß Naimes den Kaiser an seine Pflicht erin-
nern, das jugement, an dem niemand etwas ändern kann, zu rati-
fizieren:
«Ben l’avez entendut:
■ Li quens R.ollant il est mult irascut;
La rereguarde est jugee sur lui;
N’avez baron ki jamais la remut
Dunez li Γarc que vos avez tendut.» (v. 776 ff.) ■
Karl reicht seinem Neffen den Bogen. Das Verhängnis nimmt seinen
Lauf.
59 Les duze pers que Carles ad tant chers
Funt les enguardes a vint mil(ie) chevalers.
(v. 547f., fast gleichlautend v. 560f.).
60 Vgl. oben S. 20 und Anm. 41).
61 Die Zustimmung der Versammlung wird diesmal nicht eigens erwähnt, sei es,
daß der Dichter dies nicht für nötig hielt oder ein Fehler der Handschrift vor-
liegt, sei es, daß das — ebenfalls nicht vermerkte — Schweigen der Versamm-
lung Zustimmung bedeutet: Sowohl Karl wie Roland akzeptieren den Vor-
schlag als Beschluß, er gilt als «jugement» (vgl. vv. 742, 751, 754) und ist, wie
Naimes unterstreicht, als solcher unabänderlich.