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Köhler, Erich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1968, 4. Abhandlung): "Conseil des barons" und "jugement des barons": epische Fatalität und Feudalrecht im altfranzösischen Rolandslied ; vorgetragen am 29. 6. 1968 — Heidelberg, 1968

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https://doi.org/10.11588/diglit.44217#0044
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Erich Köhler

über das höhere Recht des göttlichen Eingreifens bedarf, offenbart,
daß in diesem Widerstreit zweier - historisch gesehen - substantiell
gleichwertiger Gesinnungen es die absolute promonarchische Treue
Rolands ist, die obsiegen soll.
Unser Dichter hat unter den Möglichkeiten, die seine Zeit ent-
hielt, jene gesichtet, an deren Verwirklichung er auf Grund einer
universalhistorisch-christlichen Konzeption der Monarchie zu glau-
ben vermochte. Göttliche Intervention mußte legitimieren, was in
der geschichtlichen Konstellation nur erst als Chance, aber noch nicht
als Gewißheit bereit stand. Was den Dichter überhaupt erst zu die-
sem Entwurf ermächtigte, war die Existenz der zwei sozial und
politisch relevanten Gruppen, an deren Interessenkonflikt und des-
sen Utilisierung sich das Schicksal der kapetingischen Monarchie ent-
scheiden mußte. Ihre Exponenten sind Roland und Ganelon94.
Die Ratsszenen konfrontieren kraft der ihnen innewohnenden Ge-
setzlichkeit die Interessen und Gesinnungen gleichsam auf dem mo-
ralischen Indifferenzpunkt einer formalrechtlichen Kollision, welche
die Handlung zwangshaft aus sich hervortreibt. In der so ausge-
lösten Fatalität des Geschehens erkennen wir die widerspruchsvolle
Struktur einer bestimmten gesellschaftlich-politischen Lage wieder.
Es ist kein Zweifel, daß die Idealität, die der Dichter ihr als Synthese
abringt, wesentliche Momente der historischen Wirklichkeit des vor
der Tür stehenden Jahrhunderts antizipiert.

94 Ganelons Vasallengehorsam ist dinglicher Natur und somit ohne Verständnis
gegenüber der ökonomisch un-bedingten Treue Rolands. Zwar ist diese letz-
tere, so sublimiert sie erscheint, nicht alle Schlacken des materiellen Interesses
losgeworden, da sie immerhin reiche Beute verheißt (s. v. 398f.) und selber auf
Belohnung durch Lehnsübertragung reflektiert, vermag jedoch alle diejenigen
- und d. h. namentlich das zur Nobilitierung drängende Kriegertum - zu faszi-
nieren, die nichts zu verlieren und vieles zu gewinnen haben. - Die dem spe-
zifischen Treuebegriff des Rolandsliedes immanente Problematik, die sich im
Konflikt zwischen Roland und Olivier offenbart, muß hier unberücksichtigt blei-
ben. Elierzu zuletzt Μ. Waltz, a. a. 0., S. 51 ff.
 
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