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Flashar, Hellmut; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1969, 1. Abhandlung): Der Epitaphios des Perikles: seine Funktion im Geschichtswerk d. Thukydides — Heidelberg, 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.44304#0018
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Hellmut Flashar

tik“ war, aber: „Macht liegt im Wesen des Staates“, und das athe-
nische Volk ist dabei „kraftvoll und tatenfroh“ (a. 0. 136 = Kl. Sehr.
II 251), weshalb Thukydides eben diese Politik „gegenüber dem
moralisierenden Gezeter über Athens Brutalität“ (a. 0. 248 = Kl.
Sehr. II 133) in Schutz nehme. Selbst J. de Romilly, die den Charakter
des athenischen Imperialismus umfassend analysiert hat, meint „that
the Funeral Oration was written in a highly sympathetic expression
of Pericles’ ideas“7. Von daher ist es dann nur ein Schritt, eine der-
artige Perikiesapologie dem Historiker zum Vorwurf zu machen.
Das hat J. Vogt unternommen8, der dem Thukydides vorwirft, in
förmlichem Idealisieren wesentliche Züge der perikleischen Politik
zu verschweigen, und der mit den staatsmännischen Fähigkeiten des
Perikies scharf ins Gericht geht: Perikies sei „ein Politiker ohne
Alternative, ein Führer in völliger Erstarrung“. Seine letzte Rede
bei Thukydides II 60-64 sei „erschreckend“ und zeige „einen Peri-
kies, der sein Volk in despotischer Weise zum Durchhalten zwingt“.
Daß die entscheidenden Schwierigkeiten nicht erst nach dem Tode
des Perikies aufgekommen, sondern schon im Prinzipat des Perikies
selbst liegen, verschweige Thukydides absichtlich, indem er die Risse,
Brüche und Schwierigkeiten in der Politik des Perikies zu verdecken
suche, die ein aufmerksamer Leser gleichwohl doch seinem Werk
entnehmen könne, so daß es gar nicht nötig sei, andere, möglicher-
weise tendenziöse Quellen - wie die Alte Komödie - zum Vergleich
heranzuziehen.
Mit dem Gedanken der Perikiesapologie verbindet sich leicht ein
zweites Argument: Thukydides beschwöre mit dem Epitaphios das
Bild einer versunkenen Epoche herauf, mit der er die in ihrem Glau-
ben an das perikleische Athen wankend gewordene Generation der
Nachkriegsperiode wachzurütteln beabsichtigt habe; er errichte ein
Idealbild, an dem sich die deprimierte Jugend einer neuen Zeit
emporranken soll. Diese Auffassung, die sich auf die im Epitaphios
erhaltene Aufforderung, die Bürger sollen zu „Liebhabern“ ihrer
Stadt werden (43, 1), stützen kann, hat neuerdings mit allem Nach-
druck Joh. Theoph. Kakridis bekräftigt9.
7 Thucydides et l’imperialisme athenien, Paris 1947, engl. Ausgabe: Thucydi-
des and Athenian imperialism, Oxford 1963, 137. Zitiert wird hier und im fol-
genden nach der englischen Ausgabe.
8 Das Bild des Perikies bei Thukydides, Hist. Zeitschr. 182, 1956, 17ff.
9 Der thukydideische Epitaphios, ein stilistischer Kommentar, Zetemata 26, 1961.
Vgl. dazu die Rezension von F. Sieveking, Gnomon 34, 1962, 529ff. Ähnlich
 
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