Metadaten

Flashar, Hellmut; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1969, 1. Abhandlung): Der Epitaphios des Perikles: seine Funktion im Geschichtswerk d. Thukydides — Heidelberg, 1969

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44304#0021
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Der Epitapliios des Perikies

11

sicheres Indiz dafür gegeben, daß die nun folgende Rede von Thuky-
dides erst nach dem Kriegsende verfaßt ist, denn man wird die in
die Situation einführende Exposition natürlich nicht von der Rede
selbst trennen wollen. Zugleich muß man sich aber auch klarmachen,
was es bedeutet, daß Thukydides von den vielen Epitaphien, die,
wie er hier selbst bezeugt, den ganzen Krieg über Jahr für Jahr in
mitunter doch recht kritischen und politisch interessanten Situationen
gehalten wurden, kein Wort in seine Darstellung hat einfließen
lassen. Daß sich in seinem Werk nur dieser eine, dem Perikies in den
Mund gelegte Epitapliios findet, noch dazu auf die ersten Gefal-
lenen14, ist als solches schon ein Stück allein in der Disposition des
Werkes zum Ausdruck kommender Deutung. Von dieser Überlegung
her stellt sich die Rede im Ganzen des Werkes als letztes Glied der
Exposition Athens auf dem Höhepunkt seiner Macht dar15, unmittel-
bar bevor diese Macht - wie die anschließende Pestschilderung zeigt -
sichtbar zu zerfallen beginnt.
Ferner zeigt dieses einleitende Kapitel, daß Thukydides sich kei-
neswegs ausschließlich an die „nach dem Kriege heranwachsende
Generation Athens“16 wendet, der der noch weiter geübte Brauch
nicht so detailliert erklärt zu werden brauchte. Vielmehr weist die
ganze Schilderung nach Inhalt und Stil (vgl. z. B. das distanzierende
(bös pEv Faarovoi) darauf, daß Thukydides zukünftige und auch
außerathenische Leser im Sinn hatte17.
Die mit Kap. 35 einsetzende Rede selbst stellt sich mit den ersten
Worten (oi psv jtoXXoi tcüv Ev&aös pbp eiq^xotodv) in die Tradition der
attischen Epitaphien, von denen sie sich gleichwohl von vornherein
auch wieder absetzt (spo'i öe . . .). Man hat mit Recht darauf hinge-
wiesen, daß die erhaltenen Epitaphien des 4. Jh. (Lysias, Demo-
sthenes, Hypereides und Platon)18 das stereotype, schon vorthuky-

14 Daß es sich um die ersten Gefallenen handelt, wird zweimal hervorgehoben: 34,
1: rcbv ev ripÖ8 rü noÄ.sp(p JipcbrcDV dno'&avovrcov. 34, 8: Eid ö’ ovv rote; nocbroic.
Ein Mißverhältnis zwischen den geringen Verlusten des ersten Kriegsjahres und
dem Gewicht des ,perikleischen‘ Epitaphios kann nur bemängeln (zuerst Dionys
v. Hal., De Thuc. p. 351 U.-R.), wer die deutende Anordnung des Stoffes durch
Thukydides übersieht.
15 Vgl. I 1: azpagovTEg re perav Eg avrov (sc. röv no/.euov). 16 Kakridis, a. 0. 6.
17 Vgl. I 22, 4, wo ja programmatisch an ein zukünftiges Publikum gedacht ist.
18 Vgl. Kakridis, a. O. 108. Der thukydideische Epitaphios ist der erste erhaltene.
Daß Perikies im Jahre 439 den Epitaphios auf die Gefallenen im Samischen
Krieg gehalten hat, geht aus Plutarch, Per. 8, 28 hervor, vgl. dazu L. Weber,
Perikies’ Samische Leichenrede, Hermes 57, 1922, 375ff. (mit zu weit gehenden
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften