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Flashar, Hellmut; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1969, 1. Abhandlung): Der Epitaphios des Perikles: seine Funktion im Geschichtswerk d. Thukydides — Heidelberg, 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.44304#0022
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Hellmut Flashar

dideische Normalschema des Epitaphios (Prooemium, Preis der
Ahnen und der Gefallenen, Paränese an die Bürger, Trostrede an
die Verwandten, Epilog) bewahren, daß die traditionelle Typik des
Epitaphios bei Thukydides aber zugleich abgebogen und innerlich
verwandelt ist, was vor allem in der Reduzierung des Lobes der Vor-
fahren und der ganz im Mittelpunkt stehenden Darstellung des
gegenwärtigen Staatsgebildes zum Ausdruck kommt. Immerhin sei
daran erinnert, daß auch die übrigen erhaltenen Epitaphien die
Akzente ganz verschieden setzen: während bei Lysias und in ge-
wisser Weise auch im platonischen Menexenos der historische Aspekt
dominiert, will sich Hypereides bei der Darstellung der historischen
Verhältnisse kurz fassen und gleich zum Lob der Polis übergehen,
worin er nun freilich nicht, wie der thukydideische Perikies, die
Paideia der Menschen in der Polis, sondern deren Arete im Kriege
in den Vordergrund stellt. Daß freilich innerhalb der Epitaphien-
typik der Programmpunkt ,Paideia' bei Thukydides ungewöhnlich
breit ausgestaltet ist, geht aus den Hinweisen im Text selbst (36, 4;
42, 1: epiqxvva ra jteql aoZewg) hervor.
Es ist ferner von vornherein festzuhalten, daß aus der Tradition
der Gattung nicht nur die einzelnen Epitaphientopoi, sondern auch
die Tendenz zur Idealisierung inhaltlicher Motive wie: Hilfsbereit-
schaft gegenüber dem Entrechteten, Bewahrung der Freiheit für die
Folgerungen). An den wenigen erhaltenen Fragmenten fällt die Kraft der Meta-
phorik auf, wie denn auch Plutarch die mächtige Wirkung dieser Rede ausmalt,
die für ihn der Epitaphios des Perikies par excellence ist. Aus dem gorgiani-
schen Epitaphios ist nur ein kurzes Fragment erhalten (VS 82 B 5a-6), vgl. W.
Voilegraf, L’oraison funebre de Gorgias, Leiden 1952. Es folgen die erhaltenen
Epitaphien: Lysias, or. 2 auf die Gefallenen im Korinthischen Krieg (vgl. J.
Walz, Der lysianische Epitaphios, Phil. Suppl. 24, 4, 1936), der platonische
Menexenos, der in seinem Abweichen von der herkömmlichen Typik besondere
Probleme aufgibt (vgl. R. Thurow, Der platon. Epitaphios, Diss. Tübingen
1968); Demosthenes auf die bei Chaironea Gefallenen (für die Echtheit der Rede
mit guten Gründen J. Sykutris, Der demosthenische Epitaphios, Hermes 63,
1928, 241ff.); Hypereides, or. 6 für die Gefallenen des Lamischen Krieges (vgl.
H. Hess, Textkritische und erklärende Beiträge zum Epitaphios des Hypereides,
Diss. Leipzig 1938). Hinzu kommt noch der epitaphienartige Exkurs bei Lykurg,
contr. Leocr. 46-51. In den ganzen Zusammenhang gehören auch der Panathe-
naikos des Isokrates und ähnliche Reden, vgl. über deren Verhältnis zur Epita-
phienliteratur H. Strasburger, a. 0. 21f. (= Thuk., Wege d. Forschg. 503f.).
Zum Epitaphios des Demosthenes und des Lysias vgl. auch M. Pohlenz, Zu den
attischen Reden auf die Gefallenen, Symb. Osl. 26, 1948, 46ff. (Die Einwände
gegen die Echtheit des lysianischen Epitaphios überzeugen nicht).
 
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