Seit den plautinischen Forschungen Friedrich Leos (1. Aufl. 1895,
2. Aufl. 1912) ist die Frage nach der Originalität des Plautus, und das
heißt nach dem Verhältnis der uns erhaltenen 21 plautinischen Stücke
zu den verlorenen griechischen Komödien, die er bearbeitete, ein
Zentralproblem der deutschen Forschung. Dabei stand Leo noch stark
im Banne der Quellenkritik, die ihrerseits von den Methoden der
Textkritik und Textherstellung seltsam abhängig war. Ein Beispiel:
Leo entdeckte motivische Übereinstimmungen zwischen der römi-
schen Elegie und der römischen Komödie. Um sie zu erklären, nahm
er nicht etwa an, daß die römischen Elegiker Plautus und Terenz ge-
kannt haben könnten - das widersprach seiner Vorstellung vom Gat-
tungszwang - und noch weniger erwog er die Möglichkeit, daß die
Übereinstimmung sich aus der Sache ergeben könnte. Er griff vielmehr
zu folgender Konstruktion: Die römische Elegie ist von einer hypo-
thetischen griechischen Liebeselegie abhängig (von der man bis heute
nicht weiß, ob es sie gegeben hat), die griechische Liebeselegie wie-
derum hat die Motive, um die es hier geht, aus der attischen Komödie.
Hier wirkt sich also der Gattungszwang nicht aus. Von der attischen
Komödie hat sie andererseits die römische Komödie. Es ergibt sich
also folgendes Stemma:
attische Komödie
römische Komödie hellenistische Elegie
römische Elegie
Wenn also Motivgleichheit zwischen der römischen Komödie und der
römischen Elegie bestand, war das für Leo ein Beweis, daß Plautus an
dieser Stelle dem griechischen Vorbild folgte. Das ist genau dem Be-
weisverfahren nachgebildet, das man wählt, wenn man den Arche-
typus einer handschriftlichen Überlieferung rekonstruieren will, der
uns verloren ist. Leo geht also so vor, als ob die römische Komödie
und die römische Elegie Handschriften wären, die, obwohl sonst ver-
schieden, bestimmte Lesearten gemeinsam haben und deshalb auf
eine gemeinsame dritte Handschrift zurückgehen müssen. Ebenso hat
2. Aufl. 1912) ist die Frage nach der Originalität des Plautus, und das
heißt nach dem Verhältnis der uns erhaltenen 21 plautinischen Stücke
zu den verlorenen griechischen Komödien, die er bearbeitete, ein
Zentralproblem der deutschen Forschung. Dabei stand Leo noch stark
im Banne der Quellenkritik, die ihrerseits von den Methoden der
Textkritik und Textherstellung seltsam abhängig war. Ein Beispiel:
Leo entdeckte motivische Übereinstimmungen zwischen der römi-
schen Elegie und der römischen Komödie. Um sie zu erklären, nahm
er nicht etwa an, daß die römischen Elegiker Plautus und Terenz ge-
kannt haben könnten - das widersprach seiner Vorstellung vom Gat-
tungszwang - und noch weniger erwog er die Möglichkeit, daß die
Übereinstimmung sich aus der Sache ergeben könnte. Er griff vielmehr
zu folgender Konstruktion: Die römische Elegie ist von einer hypo-
thetischen griechischen Liebeselegie abhängig (von der man bis heute
nicht weiß, ob es sie gegeben hat), die griechische Liebeselegie wie-
derum hat die Motive, um die es hier geht, aus der attischen Komödie.
Hier wirkt sich also der Gattungszwang nicht aus. Von der attischen
Komödie hat sie andererseits die römische Komödie. Es ergibt sich
also folgendes Stemma:
attische Komödie
römische Komödie hellenistische Elegie
römische Elegie
Wenn also Motivgleichheit zwischen der römischen Komödie und der
römischen Elegie bestand, war das für Leo ein Beweis, daß Plautus an
dieser Stelle dem griechischen Vorbild folgte. Das ist genau dem Be-
weisverfahren nachgebildet, das man wählt, wenn man den Arche-
typus einer handschriftlichen Überlieferung rekonstruieren will, der
uns verloren ist. Leo geht also so vor, als ob die römische Komödie
und die römische Elegie Handschriften wären, die, obwohl sonst ver-
schieden, bestimmte Lesearten gemeinsam haben und deshalb auf
eine gemeinsame dritte Handschrift zurückgehen müssen. Ebenso hat