Die neuen Menanderpapyri und die Originalität des Plautus
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der sich aus dem Vergleich ergibt, so erscheint Menander verhaltener,
ruhiger, mehr andeutend als ausführend, Plautus klarer, präziser,
kraftvoller, lebendiger, dabei nicht weniger geistreich, und zwar nicht
nur in der Ausdrucksweise im einzelnen, sondern im ganzen drama-
tischen Aufbau17. In der dramatischen Gestaltung liegt der entschei-
dende Unterschied. Handley geht auf die tiefgreifende Umformung
nicht ein, während Gaiser hierzu nur kurz bemerkt, daß bei Plautus
ein umständliches, die Spannung in die Länge ziehendes Fragen und
Antworten vorliege, und Questa nur erwähnt, daß es sich hier um
ein Rätsel handele, das erst in Vers 560 seine Lösung finde. Man hat
anscheinend gar nicht bemerkt, welche Heiterkeit es hervorrufen
muß, daß der Freund Pistoclerus völlig ahnungslos, daß er gemeint
sein könnte, sich selbst verurteilt18. Die Freude des Publikums steigert
sich dann noch mehr, wenn Mnesilochus mit höhnischer Ironie be-
merkt: «Weiß Gott, du kennst ja das Verhalten dieser Leute sehr ge-
nau.» Zu der Freude, daß Pistoclerus sich in den Augen des Mnesilo-
chus selbst verurteilt, kommt noch das zusätzliche Vergnügen, daß
das Publikum weiß, daß auch er sich irrt. Denn in Wirklichkeit war
Pistoclerus gar nicht treulos. Übrigens deutet schon sein plautinischer
Name auf seine Treue hin. Bei Menander heißt er Moschos. Das Er-
wartungsschema, das einer durch das Einschalten eines fiktiven Drit-
ten den andern entlarvt, wird also sozusagen potenziert: Der Ent-
larvte ist unschuldig, und der Rächer der in Wahrheit Getäuschte.
Sein Triumph, den er durch das Versteckspiel zu steigern glaubt, wird
dadurch nur um so komischer. Dabei ist es höchst reizvoll, zu sehen,
wie rührend Pistoclerus auf seinen Freund eingeht, wie impulsiv er an
17 J. Blänsdorf, Archaische Gedankengänge in den Komödien des Plautus, Hermes
Einzelschr. 1967, S. 5, hat den Unterschied zwischen der griechischen Komödie
und Plautus folgendermaßen formuliert: «Was dort mit Erfahrung langer Bühnen-
tradition im Argumentieren und Monologisieren, in der Darstellung des Pathos
und der Erzählung der Vorgeschichte in feinster Eleganz spielerisch und mit Ver-
schleierung des Gedankenfadens, doch klar und schlicht gesagt werden kann,
muß hier mühsam klargemacht und immer wieder abgesichert werden. Anderer-
seits finden wir drängenden Affekt statt ruhiger Überlegung. Schlichtheit und
Maß und sparsame Andeutung gefallen noch nicht, sondern lebhaftes Geschehen,
deutliche Akzente überall.» Das wird weitgehend auch durch unseren Vergleich
bestätigt, doch bleibt die Frage, ob der Unterschied durch die Phasenverschiebung
zwischen der griechischen und der lateinischen Literatur und, was Plautus be-
trifft, durch den Begriff des Archaischen hinreichend erklärt ist.
18 Es ist der Kunstgriff der unbewußten Selbstbezichtigung, den wir aus der Welt
der Tragödie, z.B. dem Ödipus, kennen. Hier ist er in die heitere Sphäre des
Lustspiels transponiert.
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der sich aus dem Vergleich ergibt, so erscheint Menander verhaltener,
ruhiger, mehr andeutend als ausführend, Plautus klarer, präziser,
kraftvoller, lebendiger, dabei nicht weniger geistreich, und zwar nicht
nur in der Ausdrucksweise im einzelnen, sondern im ganzen drama-
tischen Aufbau17. In der dramatischen Gestaltung liegt der entschei-
dende Unterschied. Handley geht auf die tiefgreifende Umformung
nicht ein, während Gaiser hierzu nur kurz bemerkt, daß bei Plautus
ein umständliches, die Spannung in die Länge ziehendes Fragen und
Antworten vorliege, und Questa nur erwähnt, daß es sich hier um
ein Rätsel handele, das erst in Vers 560 seine Lösung finde. Man hat
anscheinend gar nicht bemerkt, welche Heiterkeit es hervorrufen
muß, daß der Freund Pistoclerus völlig ahnungslos, daß er gemeint
sein könnte, sich selbst verurteilt18. Die Freude des Publikums steigert
sich dann noch mehr, wenn Mnesilochus mit höhnischer Ironie be-
merkt: «Weiß Gott, du kennst ja das Verhalten dieser Leute sehr ge-
nau.» Zu der Freude, daß Pistoclerus sich in den Augen des Mnesilo-
chus selbst verurteilt, kommt noch das zusätzliche Vergnügen, daß
das Publikum weiß, daß auch er sich irrt. Denn in Wirklichkeit war
Pistoclerus gar nicht treulos. Übrigens deutet schon sein plautinischer
Name auf seine Treue hin. Bei Menander heißt er Moschos. Das Er-
wartungsschema, das einer durch das Einschalten eines fiktiven Drit-
ten den andern entlarvt, wird also sozusagen potenziert: Der Ent-
larvte ist unschuldig, und der Rächer der in Wahrheit Getäuschte.
Sein Triumph, den er durch das Versteckspiel zu steigern glaubt, wird
dadurch nur um so komischer. Dabei ist es höchst reizvoll, zu sehen,
wie rührend Pistoclerus auf seinen Freund eingeht, wie impulsiv er an
17 J. Blänsdorf, Archaische Gedankengänge in den Komödien des Plautus, Hermes
Einzelschr. 1967, S. 5, hat den Unterschied zwischen der griechischen Komödie
und Plautus folgendermaßen formuliert: «Was dort mit Erfahrung langer Bühnen-
tradition im Argumentieren und Monologisieren, in der Darstellung des Pathos
und der Erzählung der Vorgeschichte in feinster Eleganz spielerisch und mit Ver-
schleierung des Gedankenfadens, doch klar und schlicht gesagt werden kann,
muß hier mühsam klargemacht und immer wieder abgesichert werden. Anderer-
seits finden wir drängenden Affekt statt ruhiger Überlegung. Schlichtheit und
Maß und sparsame Andeutung gefallen noch nicht, sondern lebhaftes Geschehen,
deutliche Akzente überall.» Das wird weitgehend auch durch unseren Vergleich
bestätigt, doch bleibt die Frage, ob der Unterschied durch die Phasenverschiebung
zwischen der griechischen und der lateinischen Literatur und, was Plautus be-
trifft, durch den Begriff des Archaischen hinreichend erklärt ist.
18 Es ist der Kunstgriff der unbewußten Selbstbezichtigung, den wir aus der Welt
der Tragödie, z.B. dem Ödipus, kennen. Hier ist er in die heitere Sphäre des
Lustspiels transponiert.
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