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Viktor Pöschl
seinem Vater nicht zu sagen. Der aber weiß längst alles. Doch um den
Sohn für seine Unaufrichtigkeit und sein mangelndes Vertrauen zu
bestrafen, gibt er vor, erfahren zu haben, daß ein älterer Verwandter
das Mädchen heiraten und mit ihr nach Milet ziehen werde. Voll
Verzweiflung fragt der junge Mann (656 ff.):
«Und die Frauen? Was sagen sie dazu?»
«Was sollen sie sagen? Nichts. Die Mutter allerdings erwähnte,
daß sie von einem andern Mann einen Buben hätte, aber sie
nennt ihn nicht. Der habe das Vorrecht. Man solle das Mäd-
chen dem neuen Anwärter nicht geben.»
«Ja, scheint dir das nicht richtig?»
«Nein.»
«Führt er sie also weg?»
«Warum soll er sie nicht wegführen ?»
«Das ist hart von euch, grausam, und wenn ich es offen sagen
darf, unedel!»
«Wieso ?»
«Du fragst mich noch ? Wie wirds dem armen Burschen zumute
sein, der früher ein Verhältnis mit ihr hatte, der sie vielleicht
auch jetzt noch liebt und nun sehen muß, wie sie ihm ent-
rissen wird ?»
Dabei fängt der junge Mann zu weinen an, worauf der Vater voll
Mitleids das grausame Spiel mit den Worten abbricht:
«Ich weiß alles, denn ich liebe dich.»
Die Szene mag bei Menander ähnlich verlaufen sein, und es hat
auch sonst in den Stücken der neueren Komödie vergleichbare Szenen
gegeben, wo eine Person durch eine irreführende Rede in Schrecken
gesetzt, gefoppt und bestraft wurde, so im <Eunuchen> des Terenz,
ebenfalls nach Menander, wo die Magd dem Sklaven weismacht, daß
sein Herr in Fesseln gelegt wurde und der Strafe des Ehebrechers ent-
gegensieht, weil er im Hause der Hetäre ein Bürgermädchen verge-
waltigte. In Wahrheit ist alles in bester Ordnung, es wurde ihm ver-
ziehen, und er wird das Mädchen heiraten. In all diesen Szenen durch-
schaut das Publikum das Spiel, aber nicht das Opfer, mit dem ge-
spielt wird.
Noch näher unserer Bacchidenszene sind die Szenen, wo die Fik-
tion nicht in erster Linie der Bestrafung, sondern der Überführung
dient. So hat im <Rudens> der Sklave Tranio beobachtet, wie ein
Viktor Pöschl
seinem Vater nicht zu sagen. Der aber weiß längst alles. Doch um den
Sohn für seine Unaufrichtigkeit und sein mangelndes Vertrauen zu
bestrafen, gibt er vor, erfahren zu haben, daß ein älterer Verwandter
das Mädchen heiraten und mit ihr nach Milet ziehen werde. Voll
Verzweiflung fragt der junge Mann (656 ff.):
«Und die Frauen? Was sagen sie dazu?»
«Was sollen sie sagen? Nichts. Die Mutter allerdings erwähnte,
daß sie von einem andern Mann einen Buben hätte, aber sie
nennt ihn nicht. Der habe das Vorrecht. Man solle das Mäd-
chen dem neuen Anwärter nicht geben.»
«Ja, scheint dir das nicht richtig?»
«Nein.»
«Führt er sie also weg?»
«Warum soll er sie nicht wegführen ?»
«Das ist hart von euch, grausam, und wenn ich es offen sagen
darf, unedel!»
«Wieso ?»
«Du fragst mich noch ? Wie wirds dem armen Burschen zumute
sein, der früher ein Verhältnis mit ihr hatte, der sie vielleicht
auch jetzt noch liebt und nun sehen muß, wie sie ihm ent-
rissen wird ?»
Dabei fängt der junge Mann zu weinen an, worauf der Vater voll
Mitleids das grausame Spiel mit den Worten abbricht:
«Ich weiß alles, denn ich liebe dich.»
Die Szene mag bei Menander ähnlich verlaufen sein, und es hat
auch sonst in den Stücken der neueren Komödie vergleichbare Szenen
gegeben, wo eine Person durch eine irreführende Rede in Schrecken
gesetzt, gefoppt und bestraft wurde, so im <Eunuchen> des Terenz,
ebenfalls nach Menander, wo die Magd dem Sklaven weismacht, daß
sein Herr in Fesseln gelegt wurde und der Strafe des Ehebrechers ent-
gegensieht, weil er im Hause der Hetäre ein Bürgermädchen verge-
waltigte. In Wahrheit ist alles in bester Ordnung, es wurde ihm ver-
ziehen, und er wird das Mädchen heiraten. In all diesen Szenen durch-
schaut das Publikum das Spiel, aber nicht das Opfer, mit dem ge-
spielt wird.
Noch näher unserer Bacchidenszene sind die Szenen, wo die Fik-
tion nicht in erster Linie der Bestrafung, sondern der Überführung
dient. So hat im <Rudens> der Sklave Tranio beobachtet, wie ein