Metadaten

Gärtner, Hans Armin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1974, 5. Abhandlung): Cicero und Panaitios: Beobachtungen zu Ciceros "De officiis" ; vorgel. am 12. Jan. 1974 v. Viktor Pöschl — Heidelberg: Winter, 1974

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45448#0039
License: In Copyright
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Cicero und Panaitios

37

wohl von den <virtutes> trennen könnte, das Schwergewicht der
Beweisführung liegt aber auf der Erfahrung des untrennbaren Zu-
sammenhanges der beiden Werte. Das Interesse an einer begrifflichen
Trennung tritt expressis verbis zurück.
(c) Die beiden Tendenzen
Diese begriffliche Trennung wird aber in den systematisierenden
Partien des § 94 doch angesteuert. Zunächst wird das, was wir als
das Ergebnis des empirischen Zusammenhanges aufgezeigt haben,
vorweggenommen: «Dessen (des <decorum>) Wesen ist so, daß es
von dem <honestum> nicht getrennt werden kann; denn was sich
ziemt, ist ehrenhaft, und was ehrenhaft ist, ziemt sich». Mit <autem>40
folgt ein weiterer Schritt in der Beweisführung: «Wie beschaffen
aber der Unterschied zwischen dem <honestum> und dem <decorum>
ist, das kann leichter erkannt als erklärt werden».
Man erwartet nach dieser Ankündigung den Versuch einer ge-
naueren Bestimmung des Verhältnisses von <decorum> und <honestum>;
der folgt auch, mit <enim> angeknüpft: «Was auch immer es nämlich
ist, was sich ziemt, es wird dann ersichtlich, wenn die <honestas>
vorangeschritten ist.» Mit <itaque> verbunden folgen dann Gedanken,
die die allgemeinen systematischen Behauptungen nachträglich
stützen und der Bestimmung des Verhältnisses von <honestum> und
<decorum> dienen sollen. Diese Gedanken dienten aber, wie man auch
jetzt noch an ihrem Inhalt erkennt, nicht der Bestimmung des Ver-
hältnisses der beiden Werte, sondern nur dem empirischen Nach-
weis, daß es das <decorum> in allen Tugendbereichen gibt.
Entscheidend ist nun für unsere weiteren Überlegungen die Frage,
wie die beiden ersten Sätze des § 95 zueinander stimmen: <Quare
pertinet . . .> und <Est enim quiddam . . . >41. Der zweite Satz schloß
sich, wie wir oben sahen (S. 36), gut an das Ende von § 94 an und
hat zum Inhalt, daß es das <decorum> bei allen Tugenden gibt. Da-
gegen hat der erste mit <quare> eingeleitete Satz einen weitergehenden
Inhalt, nämlich den Versuch, das Verhältnis von <decorum> und
Gesamthonestum zu bestimmen: <et ita pertinet, ut . . .>.
40 Zur Funktion von <autem> vgl. Anm. 26 in ds. Kap.
41 Quare pertinet quidem ad omnem honestatem hoc, quod dico, decorum, et ita
pertinet, ut non recondita quadam ratione cernatur, sed sit in promptu.
und
Est enim quiddam, idque intellegitur in omni virtute, quod deceat; quod cogita-
tione magis a virtute potest quam re separari.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften