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Gärtner, Hans Armin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1974, 5. Abhandlung): Cicero und Panaitios: Beobachtungen zu Ciceros "De officiis" ; vorgel. am 12. Jan. 1974 v. Viktor Pöschl — Heidelberg: Winter, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.45448#0061
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Cicero und Panaitios

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daß auf die männlich-große Tat die Anerkennung folgt und damit
die Gefolgschaft der Menschen und somit auch Nutzen. Man kann
an ein Geben und Nehmen im Scipionenkreis denken.
Wenn Cicero das καλόν des Panaitios mit <honestum>8 wiedergibt,
ist er in diesem römischen Vorstellungskreis geblieben. An dem
Wort <honestum> hing die Anerkennung durch die Gesellschaft9.
Die Vorstellung, daß etwas, was <honestum> war, nicht auch
<utile> war, dürfte im römischen Denken erst dort aufgetaucht sein,
wo Gedanken der griechischen Philosophie eindrangen. Um dem
Römer einen Nutzen des <honestum> zu beweisen, brauchte man nicht
Panaitios10. Deshalb war für Cicero die Verbindung vom καλόν zum
συμφέρον, d.h. vom <honestum> zum <utile> über <decorum> und
<approbatio>, da er die Gedanken der Schrift seinen Römern er-
schließen wollte, nichts Neues und nichts Zentrales. Deshalb hat in
Ciceros Darlegungen des <decorum> nicht den gleichen Rang wie
<honestum> und <utile>.
Folgen der Bewertung im Redaktionellen
Nachdem wir nun an der Funktion der <approbatio> gesehen
haben, daß Cicero von römischen Vorstellungen bestimmt Gedanken
des Panaitios anders ponderiert, greifen wir noch einmal die eingangs
(S. 16/7) erörterte Frage auf, welche Stellung das <decorum> redaktio-
nell in der Schrift des Panaitios innehatte. Seine zentrale Rolle im
Inhaltlichen haben wir in den letzten Kapiteln gesehen. Wir haben
oben (S. 54-56) gezeigt, daß das <decorum> (πρέπον) die Mitte und
8 Allerdings sucht er die Abhängigkeit von der Anerkennung durch die Gesellschaft
abzuschwächen (de off. 1,14): <... honestum, quod etiamsi nobilitatum non sit,
tarnen honestum sit, quodque vere dicimus, etiamsi a nullo laudetur, natura esse
laudabile>. «Das Ehrenhafte, das, wenn es auch nicht ruhmvoll sein dürfte,
dennoch ehrenhaft sein dürfte, und von dem wir der Wahrheit entsprechend
behaupten, es sei lobenswert, wenn es auch von niemandem gelobt werden
dürfte.» -
Vgl. auch Μ. Pohlenz, Führertum, S. 15/16.
9 Man beachte den Gegensatz zu Platos Kriton 48 a7: «daher führst du so keinen
richtigen Gedanken ein, wenn du vorbringst, man müsse sich um die Meinung
der Vielen kümmern bezüglich der gerechten, schönen, guten Dinge und deren
Gegenteil» (περί δικαίων καί καλών καί άγαθών και των έναντίων).
10 Panaitios hat in dem geistigen Bereich, den man mit Scipionenkreis bezeichnet,
vielleicht bei der Auseinandersetzung mit römischem Wesen Anregungen für
seinen Gedanken über die <approbatio> bekommen. Dann wäre in den Gedanken
des Panaitios schon ein erster römischer Einfluß zu vermuten.
 
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