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Hans Armin Gärtner
den Drehpunkt der Gedanken des Panaitios ausmachte. Die auf
den Inhalt und den inneren Zusammenhang der drei Einführungen
gerichteten Untersuchungen ergaben diesen Sachverhalt; die eben
abgeschlossenen Erörterungen im formalen Bereich bestätigen dieses
Ergebnis.
Wenn wir nun fragen, warum Cicero dem <decorum> kein beson-
deres Buch gegeben hat, so ergibt sich als Antwort:
1) Er nahm die Aufzählung der drei üblichen Fragenkreise (de
off. 1,9, vgl. III,7 undS. 13), die bei Panaitios nur den Ausgangspunkt
der Erörterungen bildeten, als redaktionelle Gliederung.
2) Er brauchte das <decorum> als Brücke zwischen <honestum> und
<utile> nicht so herauszustellen, weil für ihn als Römer das «Ehren-
hafte» die Anerkennung durch die Gesellschaft und die Gefolgschaft
(die <studia hominurm, was bei Panaitios das <utile> ist) sowieso mit
umschloß. Wir sahen, daß für die Römer die <approbatio> wesens-
mäßig zur <virtus gehört (S. 57ff. und oben).
3) Cicero stand unter dem Einfluß der Schulkritik, die wir be-
sonders mit dem Namen des Hekaton verbunden haben (S. 42/3‘)
Diese Schulkritik wirkte sich, wie wir bei der Einführung des <de-
corum> gesehen haben, in einer Systematisierung aus. Diese Syste-
matisierungstendenz Ciceros dürfte sich so ausgewirkt haben, daß
er den herkömmlichen Komplex der vier Kardinaltugenden11 wieder-
herstellte und sie in einem Buche zusammenfaßte. -
Aus unseren Erörterungen über das Verhältnis von <honestum> -
<decorum> - <utile> wurde die Geschlossenheit dieses Gedanken-
zusammenhanges deutlich. Von da her dürfte auch das Lob ver-
ständlich werden, das Rutilius Rufus (Cic., de off. 111,10) der Voll-
endung dieses «Teiles» zollte. Wir meinen, daß die von Cicerp
vermißte Ausführung über den Widerstreit von <honestum> uno
11 Das herkömmliche Viertugendschema finden wir in gleicher Weise in 111,96
verwendet. Dort bringt Cicero plötzlich die Einteilung des <honestum> in die
vier Kardinaltugenden, von denen er im ersten Buch die Pflichten abgeleitet hatte.
Dabei zählt er die vier Kardinaltugenden auf.
Das Ganze ist eine nachträglich eingeführte Disposition. Über <prudentia> und
<iustitia> im Widerstreit mit dem <utile> hat er schon gehandelt; zwei Teile sind
noch übrig: <magnitudo animi> und <temperantia>. Μ. Pohlenz (Cic. de off.
III, S. 33) meint sogar, daß Cicero einen Zusammenhang, den ihm Athenodoros
geliefert hatte, durch diese nachträgliche Disposition unterbrach. - Auf jeden
Fall sehen wir hier eindeutig eine nachträgliche Systematisierung mit dem ge-
läufigen Viertugendschema.
Hans Armin Gärtner
den Drehpunkt der Gedanken des Panaitios ausmachte. Die auf
den Inhalt und den inneren Zusammenhang der drei Einführungen
gerichteten Untersuchungen ergaben diesen Sachverhalt; die eben
abgeschlossenen Erörterungen im formalen Bereich bestätigen dieses
Ergebnis.
Wenn wir nun fragen, warum Cicero dem <decorum> kein beson-
deres Buch gegeben hat, so ergibt sich als Antwort:
1) Er nahm die Aufzählung der drei üblichen Fragenkreise (de
off. 1,9, vgl. III,7 undS. 13), die bei Panaitios nur den Ausgangspunkt
der Erörterungen bildeten, als redaktionelle Gliederung.
2) Er brauchte das <decorum> als Brücke zwischen <honestum> und
<utile> nicht so herauszustellen, weil für ihn als Römer das «Ehren-
hafte» die Anerkennung durch die Gesellschaft und die Gefolgschaft
(die <studia hominurm, was bei Panaitios das <utile> ist) sowieso mit
umschloß. Wir sahen, daß für die Römer die <approbatio> wesens-
mäßig zur <virtus gehört (S. 57ff. und oben).
3) Cicero stand unter dem Einfluß der Schulkritik, die wir be-
sonders mit dem Namen des Hekaton verbunden haben (S. 42/3‘)
Diese Schulkritik wirkte sich, wie wir bei der Einführung des <de-
corum> gesehen haben, in einer Systematisierung aus. Diese Syste-
matisierungstendenz Ciceros dürfte sich so ausgewirkt haben, daß
er den herkömmlichen Komplex der vier Kardinaltugenden11 wieder-
herstellte und sie in einem Buche zusammenfaßte. -
Aus unseren Erörterungen über das Verhältnis von <honestum> -
<decorum> - <utile> wurde die Geschlossenheit dieses Gedanken-
zusammenhanges deutlich. Von da her dürfte auch das Lob ver-
ständlich werden, das Rutilius Rufus (Cic., de off. 111,10) der Voll-
endung dieses «Teiles» zollte. Wir meinen, daß die von Cicerp
vermißte Ausführung über den Widerstreit von <honestum> uno
11 Das herkömmliche Viertugendschema finden wir in gleicher Weise in 111,96
verwendet. Dort bringt Cicero plötzlich die Einteilung des <honestum> in die
vier Kardinaltugenden, von denen er im ersten Buch die Pflichten abgeleitet hatte.
Dabei zählt er die vier Kardinaltugenden auf.
Das Ganze ist eine nachträglich eingeführte Disposition. Über <prudentia> und
<iustitia> im Widerstreit mit dem <utile> hat er schon gehandelt; zwei Teile sind
noch übrig: <magnitudo animi> und <temperantia>. Μ. Pohlenz (Cic. de off.
III, S. 33) meint sogar, daß Cicero einen Zusammenhang, den ihm Athenodoros
geliefert hatte, durch diese nachträgliche Disposition unterbrach. - Auf jeden
Fall sehen wir hier eindeutig eine nachträgliche Systematisierung mit dem ge-
läufigen Viertugendschema.