Cicero und Panaitios
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rechten Wertmaßstab hat Panaitios in seinen drei Büchern gegeben,
indem er das Wesen und den inneren Zusammenhang von καλόν,
πρέπον und συμφέρον aufzeigte. Die Methode der rechten Frage-
stellung aber (III,7: <quomodo ea discerni oporteret>)2 ist ein ganz
anderes Problem, dem eine ganz neue Untersuchung hätte gewidmet
werden müssen.
Panaitios wird sich damit zufrieden gegeben haben - so kann
man seinen Verzicht auf weitere Erörterungen erklären -, daß sich
nach der Darlegung des καλόν und des συμφέρον und ihres Zu-
sammenhanges im πρέπον ein ausführlicher Nachweis, daß der
Widerstreit καλόν oder συμφέρον unmöglich sei, erübrigt habe.
Darum konnte er am Ende seiner Erörterungen, die jetzt in den beiden
ersten Büchern Ciceros zu finden sind, einen echten Abschluß sehen.
Mit dieser Darlegung nähern wir uns der von Cicero (III,9) be-
kämpften Ansicht, daß Panaitios die Erörterung dieser Frage nicht
ausgelassen, sondern mit Bedacht liegen gelassen habe (<consulto
relictum>), weil niemals der Nutzen gegen das Ehrenhafte streiten
könnte.
Daß die Entfaltung der dritten Fragestellung eine neue, ganz
andere Untersuchung ergeben hätte, zeigen Ciceros Überlegungen
am Anfang des dritten Buches. In Konsequenz zu seiner Auffassung
von den drei Fragestellungen als redaktioneller Gliederung3 macht
sich Cicero daran, die dritte Fragestellung zu entfalten (111,11-32),
wie es nach seiner Meinung wohl Panaitios getan hätte (111,33).
Doch tauchen bei der Einführung der Frage gleich Schwierigkeiten
auf. Für die Stoiker gab es den Widerstreit zwischen <honestum> und
<utile> einfach nicht (11 und 18)4. Darum habe Panaitios auch ge-
schrieben, die Menschen «pflegten» beim Vergleich von <honestum>
und <utile> zu zweifeln, aber nicht, sie «müßten». Cicero geht dann
(18/19) weiter und sagt - auch hier in konsequenter Entfaltung der
dritten Fragestellung, von der Panaitios berichtet (<quomodo ea
discerni oporteret>, III,7) daß die Zweifel aus der Unklarheit über
die Qualität dessen, was zur Erörterung steht, herrühren. Dazu
ist ein Kriterium nötig; das bringt er (21) in der «Formel»: «Wenn
jemand dem anderen etwas entzieht und wenn ein Mensch seinen
2 Vgl. ad Att. XVI,11,4: <quomodo iudicandum sit>.
3 Vgl. S. 12 mit Anm. 4. Vgl. dazu Μ. Pohlenz, Cicero de officiis III, Nachrichten
von der Ges. d. Wiss. zu Göttingen, phil.-hist. Kl. N.F. 1 (1934-36) S. 1-8;
Pohlenz beschäftigt sich aber vorwiegend mit Ciceros Vorlagen.
4 Die §§ 13b-17 sind der Darlegung gewidmet, daß der Widerstreit zwischen
<honestum> und <utile> auch im Bereich der <media officia> nicht möglich ist.
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rechten Wertmaßstab hat Panaitios in seinen drei Büchern gegeben,
indem er das Wesen und den inneren Zusammenhang von καλόν,
πρέπον und συμφέρον aufzeigte. Die Methode der rechten Frage-
stellung aber (III,7: <quomodo ea discerni oporteret>)2 ist ein ganz
anderes Problem, dem eine ganz neue Untersuchung hätte gewidmet
werden müssen.
Panaitios wird sich damit zufrieden gegeben haben - so kann
man seinen Verzicht auf weitere Erörterungen erklären -, daß sich
nach der Darlegung des καλόν und des συμφέρον und ihres Zu-
sammenhanges im πρέπον ein ausführlicher Nachweis, daß der
Widerstreit καλόν oder συμφέρον unmöglich sei, erübrigt habe.
Darum konnte er am Ende seiner Erörterungen, die jetzt in den beiden
ersten Büchern Ciceros zu finden sind, einen echten Abschluß sehen.
Mit dieser Darlegung nähern wir uns der von Cicero (III,9) be-
kämpften Ansicht, daß Panaitios die Erörterung dieser Frage nicht
ausgelassen, sondern mit Bedacht liegen gelassen habe (<consulto
relictum>), weil niemals der Nutzen gegen das Ehrenhafte streiten
könnte.
Daß die Entfaltung der dritten Fragestellung eine neue, ganz
andere Untersuchung ergeben hätte, zeigen Ciceros Überlegungen
am Anfang des dritten Buches. In Konsequenz zu seiner Auffassung
von den drei Fragestellungen als redaktioneller Gliederung3 macht
sich Cicero daran, die dritte Fragestellung zu entfalten (111,11-32),
wie es nach seiner Meinung wohl Panaitios getan hätte (111,33).
Doch tauchen bei der Einführung der Frage gleich Schwierigkeiten
auf. Für die Stoiker gab es den Widerstreit zwischen <honestum> und
<utile> einfach nicht (11 und 18)4. Darum habe Panaitios auch ge-
schrieben, die Menschen «pflegten» beim Vergleich von <honestum>
und <utile> zu zweifeln, aber nicht, sie «müßten». Cicero geht dann
(18/19) weiter und sagt - auch hier in konsequenter Entfaltung der
dritten Fragestellung, von der Panaitios berichtet (<quomodo ea
discerni oporteret>, III,7) daß die Zweifel aus der Unklarheit über
die Qualität dessen, was zur Erörterung steht, herrühren. Dazu
ist ein Kriterium nötig; das bringt er (21) in der «Formel»: «Wenn
jemand dem anderen etwas entzieht und wenn ein Mensch seinen
2 Vgl. ad Att. XVI,11,4: <quomodo iudicandum sit>.
3 Vgl. S. 12 mit Anm. 4. Vgl. dazu Μ. Pohlenz, Cicero de officiis III, Nachrichten
von der Ges. d. Wiss. zu Göttingen, phil.-hist. Kl. N.F. 1 (1934-36) S. 1-8;
Pohlenz beschäftigt sich aber vorwiegend mit Ciceros Vorlagen.
4 Die §§ 13b-17 sind der Darlegung gewidmet, daß der Widerstreit zwischen
<honestum> und <utile> auch im Bereich der <media officia> nicht möglich ist.