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Gärtner, Hans Armin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1974, 5. Abhandlung): Cicero und Panaitios: Beobachtungen zu Ciceros "De officiis" ; vorgel. am 12. Jan. 1974 v. Viktor Pöschl — Heidelberg: Winter, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.45448#0068
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Hans Armin Gärtner

Nun finden sich aber in de finibus 11,45-50 Aussagen, die denen
von de officiis 1,12-17 inhaltlich deutlich entsprechen. Neben der
gleichen Herleitung der Kardinaltugenden in de fin. 11,45-47 und
in de off. 1,13 + 14 muß man als einen weiteren Entsprechungspunkt
die Erwähnung des <honestum> (als Äquivalent für das griech. καλόν
de fin. 11,49 und 50, und de off. 1,14) nennen; dabei wird beidemale
betont, daß das <honestum>, auch wenn es von niemanden gelobt
wird, dennoch durch sein Wesen (natura) des Lobes würdig sei. Die
dritte Entsprechung ist das Zitat aus Platos Phaidros 250 d (de fin.
11,52 und de off. 1,15), Es dürfte beidemale derselbe Gewährsmann,
d.h. nach de off. 1,9 Panaitios gewesen sein. Man muß nun be-
achten, daß Cicero die Gedanken des Panaitios in de fin. 11,45-52 in
einer abstrakten, auf das höchste Gut gerichteten Untersuchung
bringt, da wo er das <honestum> von der <voluptas> absetzt, daß er
aber in de off. 1,11-15 dieselben Gedanken in einer auf die praktische
Ethik abzielenden Darlegung zum Ausdruck bringt.
Die Schrift des Panaitios dürfte also nicht nur, wie man aus
de off. vielleicht vermuten könnte, auf die praktische Ethik abgezielt
haben, sondern, wie ihre Verwendung im spekulativen Zusammen-
hang von de finibus zeigt, spekulative Elemente enthalten haben.
So wird man als Tendenz Ciceros in de off. einen Zug zum ethischen
Einzelproblem annehmen können. Dieser Zug zur Kasuistik ist in
dem suo Marte (111,34) verfaßten dritten Buch eindeutig. Deshalb
trat bei ihm die Darlegung dieser Zusammenhänge zurück. Dazu
gehört die Verschiebung des <decorum> aus der Mitte der Schrift.
Ciceros eigener Standort oder - sagen wir im Anschluß an den
Dichtervergleich - seine Rolle wird weiter in den Vorworten zu
den einzelnen Büchern und dann an persönlichen Stellungnahmen
in der Abhandlung deutlich. Es sind dies die schon besprochenen
kritischen Äußerungen über Panaitios und dann die Stellen, an denen
er sich an seinen Sohn wendet.
In den Vorworten zu den einzelnen Büchern von de off. kommt
Ciceros allgemeine Haltung zur Philosophie zum Ausdruck. Mögen
diese Vorworte auch austauschbar gewesen sein, so haben sie doch
auch einen Bezug auf Ciceros spezielle Situation, seine Rolle, in der
er diesen <Brief> geschrieben hat: Cicero, der Vater, schreibt seinem
Sohn1, der bei einem Philosophen lernt, einen belehrenden Brief über
1 Das große <exemplum> für die Lehre des Sohnes durch den Vater ist bekanntlich
der alte Cato.
 
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