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Hans Armin Gärtner
nisi petitio fuit apta, nec satis tecte declinat impetum, nisi etiam in cedendo
quid deceat intellegit.>
Wir haben oben gezeigt, daß die Gelliusstelle nicht zu de off. 1,80/81 paßt.
Dann haben wir wahrscheinlich gemacht, daß diese Stelle auch der vierten
Kardinaltugend zugewiesen werden kann. Die Zuordnung der Oratorstelle
(die nicht von uns vorgeschlagen wurde) macht als ursprünglichen Sitz der
Gedanken, die bei Gellius und im Orator zu finden sind, den πρέπον-Ab-
schnitt bei Panaitios ziemlich sicher. Das wäre bei Cicero, wie wir sehen
werden, der Abschnitt 1,93-151. In diesem Abschnitt bietet sich 1,115 an. Dort
ist von einer dritten Rolle die Rede. Cicero hat diese Rolle nicht ausgeführt.
Μ. Pohlenz, Führertum, 70, meint zu dieser Rolle, <quam casus aliqui aut
tempus imponit>: «Die Tyche entzieht sich einer Regelung». Doch hat es
unsere Gelliusstelle gerade mit den <pericula>, <fortunae verbera>, <omni in
loco atque in tempore> zu tun. Außerdem paßt der Vergleich mit den Pan-
kratiasten (bei Gellius bzw. die Erwähnung der palaestra und des <decet>
bei Cicero, Orator) zu der zweiten Rolle, die wir wie die Schauspieler spielen
müssen. In beiden Vergleichen sind Zuschauer da, auf die man Rücksicht
nehmen muß, denen man gefallen muß. Wir denken da an die <reverentia
adversus homines> in den Grundsatzparagraphen über das <decorum> (§ 99).
Μ. Schäfer bietet in seinem Aufsatz: Panaitios bei Cicero und Laelius:
Gymnasium 62, 1955, 334-354, bes. 347 eine andere Einteilung. Er geht
davon aus, daß jeweils ungefähr 90 Paragraphen von Cicero de off. einem
der Bücher der Panaitios entsprochen haben. Außer den Gedankenzusammen-
hängen in de off., die man dem Panaitios zuweisen muß, verwendet er noch
ungefähr 45 Paragraphen aus dem Laelius zur Rekonstruktion von des
Panaitios περί τοΰ καθήκοντος. Es entsprächen sich also :
Cicero
Panaitios
de off. I, 11-61
Buch I
(ohne 31-34, 37, 39/40) zuzügl.
ca. 45 §§ aus dem Laelius
de off. I, 61-151
Buch III
de off. II
Buch III
Dabei setzt nun Schäfer voraus, daß die drei Bücher des Panaitios gleich
lang gewesen sind. Das ist gar nicht gesagt. So zeigt etwa Aristoteles Eth. Nie.
in der Oxfordausgabe von Bywater Schwankungen in der Ausdehnung
der Bücher bis zu sieben Seiten.
Ferner ist es auch fraglich, ob man die panaitischen Gedanken (= ca. 45 §§)
aus dem Laelius unbedingt der Schrift περί τοΰ καθήκοντος zuweisen muß.
Auch Schäfer erwägt in Anm. 13 auf S. 353 einen Brief des Panaitios περί
φιλίας1 oder eine «Kollegnachschrift» als Quelle für Ciceros Laelius.
Was den Inhalt betrifft, so verteilt Schäfer die Behandlung der vier
Kardinaltugenden auf das 1. und 2. Buch des Panaitios. Für diese Trennung
Hans Armin Gärtner
nisi petitio fuit apta, nec satis tecte declinat impetum, nisi etiam in cedendo
quid deceat intellegit.>
Wir haben oben gezeigt, daß die Gelliusstelle nicht zu de off. 1,80/81 paßt.
Dann haben wir wahrscheinlich gemacht, daß diese Stelle auch der vierten
Kardinaltugend zugewiesen werden kann. Die Zuordnung der Oratorstelle
(die nicht von uns vorgeschlagen wurde) macht als ursprünglichen Sitz der
Gedanken, die bei Gellius und im Orator zu finden sind, den πρέπον-Ab-
schnitt bei Panaitios ziemlich sicher. Das wäre bei Cicero, wie wir sehen
werden, der Abschnitt 1,93-151. In diesem Abschnitt bietet sich 1,115 an. Dort
ist von einer dritten Rolle die Rede. Cicero hat diese Rolle nicht ausgeführt.
Μ. Pohlenz, Führertum, 70, meint zu dieser Rolle, <quam casus aliqui aut
tempus imponit>: «Die Tyche entzieht sich einer Regelung». Doch hat es
unsere Gelliusstelle gerade mit den <pericula>, <fortunae verbera>, <omni in
loco atque in tempore> zu tun. Außerdem paßt der Vergleich mit den Pan-
kratiasten (bei Gellius bzw. die Erwähnung der palaestra und des <decet>
bei Cicero, Orator) zu der zweiten Rolle, die wir wie die Schauspieler spielen
müssen. In beiden Vergleichen sind Zuschauer da, auf die man Rücksicht
nehmen muß, denen man gefallen muß. Wir denken da an die <reverentia
adversus homines> in den Grundsatzparagraphen über das <decorum> (§ 99).
Μ. Schäfer bietet in seinem Aufsatz: Panaitios bei Cicero und Laelius:
Gymnasium 62, 1955, 334-354, bes. 347 eine andere Einteilung. Er geht
davon aus, daß jeweils ungefähr 90 Paragraphen von Cicero de off. einem
der Bücher der Panaitios entsprochen haben. Außer den Gedankenzusammen-
hängen in de off., die man dem Panaitios zuweisen muß, verwendet er noch
ungefähr 45 Paragraphen aus dem Laelius zur Rekonstruktion von des
Panaitios περί τοΰ καθήκοντος. Es entsprächen sich also :
Cicero
Panaitios
de off. I, 11-61
Buch I
(ohne 31-34, 37, 39/40) zuzügl.
ca. 45 §§ aus dem Laelius
de off. I, 61-151
Buch III
de off. II
Buch III
Dabei setzt nun Schäfer voraus, daß die drei Bücher des Panaitios gleich
lang gewesen sind. Das ist gar nicht gesagt. So zeigt etwa Aristoteles Eth. Nie.
in der Oxfordausgabe von Bywater Schwankungen in der Ausdehnung
der Bücher bis zu sieben Seiten.
Ferner ist es auch fraglich, ob man die panaitischen Gedanken (= ca. 45 §§)
aus dem Laelius unbedingt der Schrift περί τοΰ καθήκοντος zuweisen muß.
Auch Schäfer erwägt in Anm. 13 auf S. 353 einen Brief des Panaitios περί
φιλίας1 oder eine «Kollegnachschrift» als Quelle für Ciceros Laelius.
Was den Inhalt betrifft, so verteilt Schäfer die Behandlung der vier
Kardinaltugenden auf das 1. und 2. Buch des Panaitios. Für diese Trennung