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Gärtner, Hans Armin; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1974, 5. Abhandlung): Cicero und Panaitios: Beobachtungen zu Ciceros "De officiis" ; vorgel. am 12. Jan. 1974 v. Viktor Pöschl — Heidelberg: Winter, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.45448#0077
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Cicero und Panaitios

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erscheinen, weil er nicht weiß, was die Situation verlangt. «Aber die Ver-
haltensweise, die von der Bildung weit entfernt ist, wie etwa, wenn jemand
auf dem Markt singt oder wenn es sich um eine andere große Verkehrtheit
handelt, die wird leicht deutlich (<apparet>, d.h. als Verkehrtheit erkennbar)
und bedarf nicht sehr Ermahnungen und Vorschriften; die Verstöße aber,
die klein zu sein scheinen und von vielen nicht erkannt (<intellegi>) werden
können, von denen muß man sorgfältiger Abstand nehmen».
Eindeutig steht hier <apparet> parallel zu <intellegere>. Es geht beidemale
darum, daß man falsche Verhaltensweisen «erkennt», «merkt», daß sie als
solche «klar sind». So wird auch an den großen Ausmessungen der Stern-
bilder de nat. deorum 11,110 göttlicher Schöpfergeist deutlich. De fin. 1,7
die sehr feine Lebensart und mittelmäßige Bildung des Lucilius wird er-
sichtlich u.a.m.
Nebeneinander haben wir die unmittelbare Bedeutung und die abstrakte
in Tusc. 1,79: Es geht um die Ähnlichkeit der Kinder mit den Eltern: <quae
etiam in ingeniis, non solum in corporibus appareat>.
3) Neben diesem übertragenen, abstrakten Gebrauch gibt es noch einen
bildhaften (damit natürlich auch übertragenen Gebrauch): «sichtbar werden»,
«in Erscheinung treten».
So de off. 1,46: <neminem omnino esse neglegendum, in quo aliqua signi-
ficatio virtutis appareat> «in dem auch nur eine Spur von Tugend sichtbar
wird» (nicht «ersichtlich, deutlich wird»). So auch: Tusc. III,2: <nunc parvulos
nobis dedit igniculos, quos celeriter malis moribus opinionibusque de-
pravati sic restinguimus, ut nusquam naturae lumen appareat>. «Wir löschen
... die Lichtlein aus, so daß nirgends das Licht der Natur sichtbar wird».
Ähnlich auch de fin. V,58, wo vom <lumen virtutis beataeque vitae> die Rede
ist, das erst später sichtbar wird.
Uns interessiert nun die Frage, ob aus den bei Merguet aufgeführten
Stellen ein Hinweis darauf zu entnehmen ist, wann man im übertragenen
Bereich bildhafte oder abstrakte Bedeutung annehmen soll. Die Antwort
ist recht schlicht. Maßgeblich ist der Zusammenhang, dabei besonders die
Eigenart des Subjektes von <apparere>. Wenn das Subjekt selbst etwas mit
der Anschaulichkeit zu tun hat, wie <lumen> oder <significatio>, entspricht
dem dann bei <apparere> die Bedeutung «sichtbar sein». Es ist an unserer
Stelle nun zu fragen, ob <decorum> (§ 94) den Charakter der Anschaulichkeit
hat. Vom Wort her gesehen (es heißt ja auch «zierlich», «anmutig») ist die
Anschaulichkeit möglich; der Zusammenhang jedoch spricht dagegen:
«Der Unterschied zwischen <honestum> und <decorum> kann leichter erkannt
als erklärt werden». Wo wird er erkannt? Im Vorrang der <honestas>. Man
beachte auch die umgebenden abstrakten Begriffe: <temperantia>, <moderatio>,
<rerum modus>, <differentia>, <honestum>. Außerdem hat das zweite <apparet>
(§ 94: <sed etiam in tribus superioribus, quid deceat ,apparet> = «es wird
deutlich, was sich ziemt») eindeutig die abstrakte, theoretische Bedeutung.
 
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