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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1974, 6. Abhandlung): Zur Chronologie der Eklogen Vergils: vorgelesen am 27. April 1974 von Viktor Poeschl — Heidelberg: Winter, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.45449#0055
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Zur Chronologie der Eklogen Vergils

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aufmerksam gewordenen Maecenas22 an einer Dichtung wie den Geor-
gica23 mochten Vergil, der die Bukolik als abgeschlossen ansehen
konnte, zur Aufnahme der Arbeit an dem Landbaugedicht stimulieren.
Der Auftrag des wohl im Zusammenhang mit den Landenteignungen
durch Gallus24 auf den Bukoliker Vergil aufmerksam gewordenen
Octavian25, die Arbeit an den Eklogen wieder aufzunehmen, unterbach
für eine kurze Zeit die Beschäftigung mit den Georgica, bis die Kom-
position eines Buches von zehn Bucolica abgeschlossen war.
Die Rückkehr zur Welt der Eklogen war ein vorübergehender Rück-
zug in eine losgelöste Welt der Dichtung. In keiner früheren Ekloge ist
so wenig Welt wie in 8, 10 und 7, welche ausschließlich von Gesang
und der Spiegelung anderer Dichtung leben. Begann dies mit der Um-
schmelzung eines nichtbukolischen Gedichts, des städtischen Mimus
<Pharmakeutria> (id. 2), welcher Umformung26 aber schon bukolisches
Liebesleid an die Seite gestellt worden war, das alle bukolische Lie-
besdichtung von id. 1, 3 und 11 bis ecl. 2 einschließlich zusammenfaßte,
so führte diese Bewegung über das poetische Spiel mit den <Amores>,
der elegischen Dichtung, des Gallus schließlich zum Spiel mit der eige-
nen bukolischen Dichtung in ecl. 7. Nachdem die Bukolik Vergils der-
art auf sich allein bezogen war, in boshafter Verzerrung des Erkannten
(Thyrsis) und in narzißtisch übersteigernder Liebeserkenntnis (Cory-
don), war die Dichtung, wie Vergil sie in seinen Eklogen entwickelt
hatte, endgültig an ihr Ende gelangt. Über ecl. 7 führte kein Weg einer
bei sich bleibenden und in sich schauenden Dichtung hinaus, weil dieser
Weg konsequent bis an sein Ende, nämlich den Rückbezug auf sich
selbst, geführt worden war.
Diese Rückkehr in die bukolische Welt, die nun in absoluter Kon-
sequenz reine Welt der Dichtung ist, stellt sich nach dem Schluß von
Georgica I, der Verzweiflung über den Bürgerkrieg, als verständliche
Reaktion dar27. Auch im Jahr 35, dem Beginn der späten Eklogen, ist
22 Vor Frühjahr 38 v. Chr.; vgl. Büchner, a. O., Sp. 36.
23 Vgl. die Anreden in den Georgica, insbes. III41.
24 So Wilkinson, Hermes 94 (1966), S. 320 ff. (vgl. o. S. 28, Anm. 3). Büchners Auf-
fassung, nach welcher Asinius Pollio der Vermittler bei der Wiedergewinnung des
Landgutes für Vergil war, läßt sich von der Chronologie der Eklogen her nicht
halten; vgl. o. S. 28 mit Anm. 3-5.
25 Die Möglichkeit einer schon früheren Bekanntschaft soll damit nicht geleugnet
werden.
28 Das Heimrufen des Geliebten zurück <aus der Stadt> (<ab urbe> im Schaltvers) mag
als sprechendster Ausdruck dieser Umformung gelten.
27 Vgl. dazu § 12, u. S. 72.
 
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