Metadaten

Bulst, Walther [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1975, 1. Abhandlung): Carmina Leodiensia — Heidelberg: Winter, 1975

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45454#0047
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Carmina Leodiensia

37

potuit scripsit ... Dem hienach anzunehmenden chronologischen Ver-
haltnis, daE namlich Marbods Verse an den rener sus der Liitticher
Handschrift vorausliegen, steht nichts entgegen; sie ist ihm vom Do-
nator iibersandt, nicht gelegentlich des oder eines Wiedersehens (wenn
eines nach den quinque ariste iiberhaupt stattgefunden hat) eingehan-
digt worden. Ais ein Abwesender beschlieEt er sie mit den Worten
Hoc opus ... mittit Marbodo ... (VIII 10.11).
Wie ein Echo auf v.9 desselben Textes,
Dilato leto per tempora multa ualeto,
lautet endlich die Inschrift fol.74r:
Salueris sospes dum mundi uixeris hospes,
sei sie vom Donator verfaEt, oder angeeignet, so wie die andere, fol.Ov:
Tot uiuas annis quot uiuus labitur amnis,
dem ersten Carmen Marbods an Gauterius entlehnt ist49, den er so
hoch verehrt hatte.
Aber Tot uiuas ... war kein “christlicher Wunsch”; er steht in Wi-
derspruch zum Gedanken des Todes ais ‘‘der Siinde Sold” (Rom.vi 23;
Ecclus.xxv 33). Im ganz unmiEverstandlichen Context waren es Worte
einer Person unchristlicher Herkunft, namlich der Musa Marbods, der
sie mit ihr zukommlicher poetischer Licenz so hatte sprechen lassen.
Der “christliche Wunsch” Salueris sospes .. .50 scheint sich zu dem ersten
zu verhalten, ais hatte der Donator, nachdem er die Worte einer Musa
zu seinen eigenen gemacht hatte, sie hernach ais vermessen empfunden
und sich eines besseren und auf Salueris sospes besonnen.
Dagegen, daE er das Verhaltnis der Inschriften so, durch ein un-
ausdriickliches “oder wenigstens” vermittelt, verstanden habe und von
Marbod habe verstanden wissen wollen, spricht erstlich, daE er, an-
stelle das ihm anstofiig Gewordene zu ersetzen, wie Pilatus gedacht
hatte quod scripsi, scripsi, ebensosehr, daE keine der beiden Inschriften
49 v.34; s. oben S.5 und 28f. DaE Marbods amicus fidelis, amicus hospes, der selber
an ihn schreibt Carmine qui gaudes et in usu carminis audes (III, prooem.), von
Carmina Marbods nur vom Horensagen gewu£t habe, ist unmdglich anzuneh-
men; seine durch Tot uiuas . . . erwiesene Kenntnis von Assuetam turbis . . . stellt
kein ‘Problem’.
50 cf. ps.cxviii 19; Hebr.xi 13.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften