Seit Diderot und Lessing steht das Problem der Adelphen im Kreuz-
feuer der literarischen Kritik. Es besteht kurz gesagt in der Frage, wie
man den Schluß des Stückes zu beurteilen und, damit eng zusammen-
hängend, die beiden Hauptgestalten aufzufassen hat. In dem Buch von
Otto Rieth „Die Kunst Menanders in den Adelphen des Terenz“,
1964 posthum von K. Gaiser veröffentlicht, nimmt die Doxographie des
Problems acht z.T. eng bedruckte Seiten ein. Rieth selbst hat sich mit
der Frage ausführlich befaßt, ebenso Gaiser im Nachwort. Inzwischen
sind weitere wichtige Beiträge erschienen: Hermann Tränkle, Micio
und Demea in den terenzischen Adelphen, Museum Helveticum 1972,
241—255; Karl Büchner, Das Theater des Terenz, 1974; Eckard
Lefevre, Die römische Komödie, in: Neues Handbuch der Literatur-
wissenschaft. Bd. Römische Literatur, hgg. von M. Fuhrmann, 1974,
33-62.
Das Stück behandelt ein Thema, das immer aktuell sein wird, die
Frage, ob in der Erziehung Milde oder Härte, Freiheit oder Zwang die
besseren Früchte tragen und überhaupt, ob im Leben der Liebenswürdige,
Verständnisbereite, heiter Distanzierte besser fährt als der Prinzipien-
strenge, wild Aufbrausende, Verbissene. Demea, der ältere, strenge
Bruder erzieht seinen Sohn Ctesipho auf dem Land nach altmodischen
Grundsätzen, während der milde Bruder Micio, unverheiratet, kinderlos
und begütert, dem andern Sohn des Demea, Aeschinus, den er an Kin-
desstatt angenommen hat, in der lebenslustigen Stadt Athen jede Frei-
heit läßt. Das Spiel beginnt damit, daß Micio seiner Sorge Ausdruck
verleiht, daß sein Zögling Aeschinus heute abend so lange ausbleibt.
Er befürchtet, es könne ihm Schlimmes zugestoßen sein. Da erscheint,
ganz aufgeregt, der ältere Bruder Demea. Zu seinem Entsetzen hat er er-
fahren — die ganze Stadt spricht schon davon —, daß der sorgenvoll Er-
wartete in ein Bordell eingebrochen ist und dort eine Harfenspielerin
entführt hat. In Wahrheit hat er sie nicht für sich, sondern für seinen
Bruder Ctesipho, eben den streng auf dem Lande Erzogenen, geraubt,
weil dieser, von der repressiven Erziehung seines Vaters eingeschüch-
tert, nicht selbst die Courage aufbrachte, es zu tun, andererseits aber, da
die Harfenistin zusammen mit anderen Mädchen des gleichen Etablisse-
ments nach Cypern gebracht werden sollte, in seiner Verzweiflung ent-
schlossen war, seine Heimat zu verlassen (bei Menander sogar: sich um-
feuer der literarischen Kritik. Es besteht kurz gesagt in der Frage, wie
man den Schluß des Stückes zu beurteilen und, damit eng zusammen-
hängend, die beiden Hauptgestalten aufzufassen hat. In dem Buch von
Otto Rieth „Die Kunst Menanders in den Adelphen des Terenz“,
1964 posthum von K. Gaiser veröffentlicht, nimmt die Doxographie des
Problems acht z.T. eng bedruckte Seiten ein. Rieth selbst hat sich mit
der Frage ausführlich befaßt, ebenso Gaiser im Nachwort. Inzwischen
sind weitere wichtige Beiträge erschienen: Hermann Tränkle, Micio
und Demea in den terenzischen Adelphen, Museum Helveticum 1972,
241—255; Karl Büchner, Das Theater des Terenz, 1974; Eckard
Lefevre, Die römische Komödie, in: Neues Handbuch der Literatur-
wissenschaft. Bd. Römische Literatur, hgg. von M. Fuhrmann, 1974,
33-62.
Das Stück behandelt ein Thema, das immer aktuell sein wird, die
Frage, ob in der Erziehung Milde oder Härte, Freiheit oder Zwang die
besseren Früchte tragen und überhaupt, ob im Leben der Liebenswürdige,
Verständnisbereite, heiter Distanzierte besser fährt als der Prinzipien-
strenge, wild Aufbrausende, Verbissene. Demea, der ältere, strenge
Bruder erzieht seinen Sohn Ctesipho auf dem Land nach altmodischen
Grundsätzen, während der milde Bruder Micio, unverheiratet, kinderlos
und begütert, dem andern Sohn des Demea, Aeschinus, den er an Kin-
desstatt angenommen hat, in der lebenslustigen Stadt Athen jede Frei-
heit läßt. Das Spiel beginnt damit, daß Micio seiner Sorge Ausdruck
verleiht, daß sein Zögling Aeschinus heute abend so lange ausbleibt.
Er befürchtet, es könne ihm Schlimmes zugestoßen sein. Da erscheint,
ganz aufgeregt, der ältere Bruder Demea. Zu seinem Entsetzen hat er er-
fahren — die ganze Stadt spricht schon davon —, daß der sorgenvoll Er-
wartete in ein Bordell eingebrochen ist und dort eine Harfenspielerin
entführt hat. In Wahrheit hat er sie nicht für sich, sondern für seinen
Bruder Ctesipho, eben den streng auf dem Lande Erzogenen, geraubt,
weil dieser, von der repressiven Erziehung seines Vaters eingeschüch-
tert, nicht selbst die Courage aufbrachte, es zu tun, andererseits aber, da
die Harfenistin zusammen mit anderen Mädchen des gleichen Etablisse-
ments nach Cypern gebracht werden sollte, in seiner Verzweiflung ent-
schlossen war, seine Heimat zu verlassen (bei Menander sogar: sich um-