Das Problem der Adelphen des Terenz
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dienste um die Entführung des Bordellmädchens, wie Demea höhnisch
bemerkt, wobei man spürt, wie er vor Wut noch kocht. Und schließ-
lich soll er auch noch die Frau des Sklaven freilassen und den beiden ein
Darlehen geben, das er vermutlich nie zurückbekommen wird. Nach
einigem Widerstreben erklärt sich Micio in rührender Selbstverleugnung
zu allem bereit, nur mit dem Darlehen will er sichs noch überlegen.
Seinem geliebten Aeschinus zuliebe willigt er in alles andere ein.
Lessing, der das Stück als ein Meisterwerk bewunderte und von
seiner Natürlichkeit und Wahrheit entzückt war, beanstandete diese
Szene (100. Stück der Hamburgischen Dramaturgie): „Demea möchte
seinen Bruder . . • ruinieren, um nur das boshafte Vergnügen zu haben,
ihm am Ende sagen zu können: ‘Nun sieh, was du von deiner Gut-
herzigkeit hast.’ Solange der ehrliche Micio nur von seinem Vermögen
dabei zusetzt, lassen wir uns den hämischen Spaß ziemlich gefallen, aber
nun kommt es dem Verräter gar ein, den guten Hagestolze mit einem
alten, verlebten Mütterchen zu verkuppeln — der bloße Einfall macht uns
anfangs zu lachen, wenn wir aber endlich sehen, daß es ernst damit wird,
daß sich Micio wirklich die Schlinge über den Kopf werfen läßt, der er
mit einer einzigen ernsthaften Wendung hätte ausweichen können,
wahrlich, so wissen wir kaum, auf wen wir ungehaltener sein sollen, ob
auf den Demea oder auf den Micio.“ Damit sei aber nicht Menander zu
belasten, sondern Terenz. Lessing erschließt das aus der falschen Über-
setzung einer Bemerkung des Donat: „apud Menandrum de nuptiis non
gravatur“. Das heißt aber nicht, wie Lessing glaubte: „Bei Menander
wird er mit der Heirat nicht belastet“, sondern wie der englische Kom-
mentator Colmann richtig übersetzte, gegen den Lessing polemisiert:
„Bei Menander sträubt er sich bezüglich der Heirat nicht“, willigt also
sogleich ein. Lessings Vorwurf trifft also mindestens genauso den
Menander.
Vor Lessing hatte bereits Diderot den Schluß des Stückes kriti-
siert, ohne die Frage: Terenz oder Menander? zu berühren: „Vom An-
fänge her“ — so Diderot in Lessings Übersetzung — „ist man für den
Micio gegen den Demea gewesen, und am Ende ist man für keinen von
beiden. Beinahe sollte man einen dritten Vater verlangen, der das Mittel
zwischen diesen zwei Personen hielte und zeigte, worin sie beide fehlten.“
Dazu Lessing: „Nicht ich. Ich verbitte mir sehr diesen dritten Vater.“
Lessing hat also zumindest Diderots Schlußfolgerung abgelehnt, wes-
halb, werden wir noch sehen.
Diderots Stellungnahme hat die stärkste Wirkung gehabt, und man
kann nicht leugnen, daß auch Lessing unter seinem Einfluß steht. Für
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dienste um die Entführung des Bordellmädchens, wie Demea höhnisch
bemerkt, wobei man spürt, wie er vor Wut noch kocht. Und schließ-
lich soll er auch noch die Frau des Sklaven freilassen und den beiden ein
Darlehen geben, das er vermutlich nie zurückbekommen wird. Nach
einigem Widerstreben erklärt sich Micio in rührender Selbstverleugnung
zu allem bereit, nur mit dem Darlehen will er sichs noch überlegen.
Seinem geliebten Aeschinus zuliebe willigt er in alles andere ein.
Lessing, der das Stück als ein Meisterwerk bewunderte und von
seiner Natürlichkeit und Wahrheit entzückt war, beanstandete diese
Szene (100. Stück der Hamburgischen Dramaturgie): „Demea möchte
seinen Bruder . . • ruinieren, um nur das boshafte Vergnügen zu haben,
ihm am Ende sagen zu können: ‘Nun sieh, was du von deiner Gut-
herzigkeit hast.’ Solange der ehrliche Micio nur von seinem Vermögen
dabei zusetzt, lassen wir uns den hämischen Spaß ziemlich gefallen, aber
nun kommt es dem Verräter gar ein, den guten Hagestolze mit einem
alten, verlebten Mütterchen zu verkuppeln — der bloße Einfall macht uns
anfangs zu lachen, wenn wir aber endlich sehen, daß es ernst damit wird,
daß sich Micio wirklich die Schlinge über den Kopf werfen läßt, der er
mit einer einzigen ernsthaften Wendung hätte ausweichen können,
wahrlich, so wissen wir kaum, auf wen wir ungehaltener sein sollen, ob
auf den Demea oder auf den Micio.“ Damit sei aber nicht Menander zu
belasten, sondern Terenz. Lessing erschließt das aus der falschen Über-
setzung einer Bemerkung des Donat: „apud Menandrum de nuptiis non
gravatur“. Das heißt aber nicht, wie Lessing glaubte: „Bei Menander
wird er mit der Heirat nicht belastet“, sondern wie der englische Kom-
mentator Colmann richtig übersetzte, gegen den Lessing polemisiert:
„Bei Menander sträubt er sich bezüglich der Heirat nicht“, willigt also
sogleich ein. Lessings Vorwurf trifft also mindestens genauso den
Menander.
Vor Lessing hatte bereits Diderot den Schluß des Stückes kriti-
siert, ohne die Frage: Terenz oder Menander? zu berühren: „Vom An-
fänge her“ — so Diderot in Lessings Übersetzung — „ist man für den
Micio gegen den Demea gewesen, und am Ende ist man für keinen von
beiden. Beinahe sollte man einen dritten Vater verlangen, der das Mittel
zwischen diesen zwei Personen hielte und zeigte, worin sie beide fehlten.“
Dazu Lessing: „Nicht ich. Ich verbitte mir sehr diesen dritten Vater.“
Lessing hat also zumindest Diderots Schlußfolgerung abgelehnt, wes-
halb, werden wir noch sehen.
Diderots Stellungnahme hat die stärkste Wirkung gehabt, und man
kann nicht leugnen, daß auch Lessing unter seinem Einfluß steht. Für