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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1975, 1. Abhandlung): Das Problem der Adelphen des Terenz: vorgetragen am 30. November 1974 — Heidelberg: Winter, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.45457#0011
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Das Problem der Adelphen des Terenz

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treten Rieth, Gaiser und Büchner, wobei sie allerdings von dem Schluß
absehen, den sie dem Terenz zuschreiben wollen. Die zweite Auffassung
findet sich außer bei Diderot und Spengel in dem Terenzkommentar von
Madame Dacier (1688), bei Wilamowitz, Eduard Fraenkel, Wehrli,
Haffter, Webster und Lefevre3. Auch Tränkle schließt sich ihr an.
Die Alternative ist aber einfach falsch. Micio ist weder absolutes Vor-
bild noch sind beide Brüder in gleicher Weise abzulehnende Extreme.
Die Wissenschaft lebt von falschen Alternativen, aber es darf nicht
unsere Aufgabe sein, sie ungeprüft weiterzuschleppen.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, daß es noch eine dritte Auf-
fassung gibt, die Neumann, ein Schüler Thierfelders, in der Mainzer
Dissertation ‘Poetische Gerechtigkeit in der Neueren Komödie’ (1958)
vertreten hat. Das Richtige liege nicht in der Mitte zwischen Demea und
Micio, sondern näher, wenn nicht überhaupt bei Demea.
Tränkles Beweisführung geht dahin, daß der von den Verfechtern
der Überlegenheit Micios bedauerte, angebliche Bruch des Stückes und
das, was man Micios Niederlage am Schluß des Stückes nennt, nicht ver-
wunderlich sei, weil Micio von Anfang an nicht anders als Demea ein
ebenfalls abzulehnendes Extrem darstelle. Hierfür führt Tränkle drei
Beweise an:
1. Auch Micio erleide mit seiner Erziehungsmethode Schiffbruch,
denn sein Zögling Aeschinus habe ihm die Affäre mit dem Bürgermäd-
chen verschwiegen. Aeschinus hat in der Tat nur ganz allgemein von
einer Heiratsabsicht gesprochen. Das Schweigen auch einem toleranten
Vater gegenüber ist aber in einem so peinlichen Fall durchaus verständ-
lich; Aeschinus hat sich geschämt, und vielleicht hat er auch befürchtet,
daß Micio nicht einwilligen werde. Später macht er sich freilich Vor-
würfe und meint: „Ich hätte durch meine Bitte die Heiratserlaubnis er-
reicht“ (630):
exorassem ut eam ducerem.
Eine Enttäuschung für Micio ist es freilich gewesen, denn im Eingangs-
monolog proklamiert er voller Stolz: „Ich habe meinen Sohn daran ge-
wöhnt, daß er das, was die andern hinter dem Rücken ihrer Väter tun,
3 U. v. Wilamowitz, Das Schiedsgericht, 1925 (Nachdr. 1958); E. Fraenkel,
Plautinisches im Plautus, 1922 (Philologische Untersuchungen 28); F. Wehrli,
a.a.O.; H. Haffter, Terenz und seine künstlerische Eigenart, Mus. Helv. 10, 1953,
1—20 u. 73—102; T. B. L. Webster, Studies in Menander, 21960; ders., Studies in
Later Greek Comedy, 1953; E. Lefevre, a.a.O.
 
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