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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1975, 1. Abhandlung): Das Problem der Adelphen des Terenz: vorgetragen am 30. November 1974 — Heidelberg: Winter, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.45457#0012
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Viktor Pöschl

mir nicht verheimlicht.“ Diese Hoffnung hat getrogen. Der Dichter be-
trachtet alles Programmatische mit Mißtrauen und dem Stolz des Pro-
grammatikers gönnt er die Blamage. Micios Enttäuschung über die
mangelnde Aufrichtigkeit seines Zöglings ist aber nicht entfernt zu ver-
gleichen mit Demeas Enttäuschung über Ctesipho, der sich im Haus
seines Bruders mit einem Freudenmädchen vergnügt. Nur hier kann
man wirklich vom Scheitern der Erziehung sprechen.
2. Das zweite Argument, das Tränkle anführt, ist ebenfalls nicht
überzeugend. Als Micio am Anfang des Stückes von Demea erfahren
muß, was sein Zögling verbrochen hat, scheint ihm das zunächst wenig
auszumachen, aber als dann Demea die Bühne verläßt, bekennt er, daß er
davon stärker berührt ist, als er sich anmerken ließ. Er hat seine heitere
Ruhe nur äußerlich bewahrt, um nicht, wie er sagt, an dem Wahn der
Aufregung teilzunehmen:
si adiutor sim eius iracundiae, insaniam cum illo.
Wovon er aber betroffen ist, ist nicht die sittliche Verkommenheit des
Sohnes, über die Demea so in Harnisch gerät. In dem Vorfall sieht er im
Gegenteil etwas Natürliches und im Grunde nichts Beunruhigendes,
zumal er die gute Grundanlage des Aeschinus wie des Ctesipho sehr
wohl kennt (823 ff.). Was ihm mißfällt, ist etwas anderes. Aeschinus
hat viele Liebesaffären gehabt, aber er hat seinen Pflegevater wissen las-
sen, daß er jetzt heiraten wolle, was Micio natürlich mit Erleichterung
aufnahm. Er durfte der Meinung sein, daß das flatterhafte Leben seines
Zöglings nun ein Ende nehmen werde; bedauerlicherweise scheint das
aber nicht der Fall zu sein (152ff.):
sperabam iam deferuisse adulescentiam,
gaudebam. ecce autem de integro.
Das stimmt aber gar nicht, denn Aeschinus hat das Mädchen nicht für
sich geraubt. Die Enttäuschung Micios beruht auf einem Irrtum. In die-
sem Punkt hat seine Erziehung also keinen Schiffbruch erlitten.
3. Auch das dritte Argument, das Tränkle vorbringt, schlägt nicht
durch. Im Anfang des Gesprächs hat Micio seinem Bruder bedeutet, er
solle sich nicht um Aeschinus kümmern, das sei ausschließlich seine An-
gelegenheit, weil er ihn nun einmal adoptiert habe. Demea sei nur für
Ctesipho zuständig. Das nennt Tränkle eine „Abmachung“, die Micio
nicht einhalte, weil er ja dann dem Ctesipho samt dessen Geliebter sein
Haus zur Verfügung stellt. Als Demea dies entdeckt, hält er dem Micio
 
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