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Pöschl, Viktor; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1975, 1. Abhandlung): Das Problem der Adelphen des Terenz: vorgetragen am 30. November 1974 — Heidelberg: Winter, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.45457#0022
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Viktor Pöschl

Hier kann man wieder die Interpretationskunst des Donat bewundern:
„‘damit hast du recht’ als wolle er sagen ‘nicht auch mit dem übrigen’.
Und zugleich hat er damit auf das Frühere geantwortet: 'Ich wollte dir
zeigen, daß die Tatsache, daß sie dich für gefällig und nett halten, nicht
auf richtiger Lebensweise und nicht auf Milde und Güte beruht’“ —
„‘istuc recte’ quasi diceret ‘non et cetera’ et simul reposuit ei qui supra
dixerat ‘ut id ostenderem quod te isti facilem et festivum putant id non
fieri ex vera vita neque adeo ex aequo et bono’.“
In dem überaus feinen und kurzen istuc recte mit Akzent auf dem
istuc zeigt sich so noch einmal die Überlegenheit Micios. Er hat damit
vor dem plaudite das letzte Wort des Stückes, was gewiß Beachtung ver-
dient. Die Lektion, die Demea ihm erteilen möchte und in der so viele
Interpreten das Fazit des terenzischen Stückes sehen wollen, wird durch
dieses istuc recte in überaus eleganter Weise korrigiert13. So sehr also
Rieth, Gaiser und Büchner Recht haben, die Überlegenheit des Micio
bei Menander und weithin auch bei Terenz zu betonen, so sehr haben sie
Unrecht, am Schluß des Terenzstückes von einer Aufwertung des De-
mea und einer Abwertung Micios zu sprechen, in der sich das Urteil des
Terenz verberge. Am allerwenigsten kann man der Meinung zustim-
men, daß der tiefere Grund für die angeblich hier zutage tretende Über-
legenheit Demeas in „der römischen Wertewelt“ zu suchen14 und daß
Terenz vor seinem römischen Publikum genötigt gewesen sei, neben
Micio dem Typus der strengen Lebensart mehr Raum zu geben, als es
Menander in seinem Stück getan hat. In Wirklichkeit haben sicherlich
die geizigen Väter in Rom über den geizigen Demea ebenso gelacht, wie
die Adelsgesellschaft in Frankreich über den Grafen Almaviva in Beau-
13 Das übrige tut der Tonfall der Schauspieler. Wie sehr es bei der Komödie auf dis
Spiel ankommt, hat Donat an mehreren Stellen angemerkt, und Lessing schreibt
im 61. Stück der Hamburgischen Dramaturgie: „Um hinter alle Feinheiten des
Terenz zu kommen, ist die Gabe sehr nötig, an das Spiel des Akteurs dabei zu den-
ken, denn dieses schrieben die alten Dichter nicht bei... In dem Terenz kommen
unzählige Stellen vor, in welchen von einer solchen Andeutung sich nicht die ge-
ringste Spur zeigt, und wo gleichwohl der wahre Sinn nur durch das Erraten der
wahren Aktion getroffen werden kann. Ja, oft scheinen die Worte geradezu das
Gegenteil von dem zu sagen, was der Schauspieler durch sie ausdrücken muß.”
14 Diese von Rieth und Gaiser vertretene Ansicht geht auf W. Fielitz zurück (Über
Anfang und Ende der Menanderschen Adelphen, Fleckeisens Jahrb. 14, 1868, 681):
„So hat der ganze Akt mit allen Einzelheiten nur den Zweck, den Demea, dessen
trockene Strenge dem damaligen Römer wohl mehr zusagen mochte als die feine
griechische Humanität Micios, über seinen Bruder und dessen Lebensphilosophie
triumphieren zu lassen. Diesen Zweck aber konnte nicht der Grieche Menandros,
sondern nur der Römer Terenz haben.”
 
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