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Henrich, Dieter; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1976, 1. Abhandlung): Identität und Objektivität: eine Untersuchung über Kants transzendentale Deduktion ; vorgetragen am 9. November 1974 — Heidelberg: Winter, 1976

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https://doi.org/10.11588/diglit.45458#0053
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Identität und Objektivität

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Mannigfaltige gegebener Vorstellungen muß im direkten Bezug auf
die Möglichkeit des Urteils in Verbindungen gebracht werden, die den
Gedanken von solchen Einzelnen ergeben, welche der Dimension des
Gegebenen grundsätzlich gar nicht zugehören können. Gegebenheiten
(Kant sagt Erscheinungen) als solche sind gar keine Objekte, sie
bezeichnen sie nur (B 235). Was sie bezeichnen, ist seinerseits nichts
als der Gedanke von einem möglichen Gegenstand des Urteils. Sofern
wir aber urteilen, sind wir unmittelbar auf Objekte bezogen. Die
Konstitutionsbedingungen der Objekte sind also einerseits von den
formalen Bedingungen des Urteilens zu unterscheiden, andererseits
in direkter Abhängigkeit von ihnen zu denken. Auf Erscheinungen,
die einfache Qualitäten sind, beziehen wir uns von Beginn an so,
daß wir sie in Prädikaten Objekten als deren Eigenschaften zusprechen
oder doch zusprechen können.
So löst sich auch auf eine Weise, die Kant eigentümlich ist, das
Dilemma der Frage auf, ob allen Eigenschaften nackte, uncharakteri-
sierbare Dinge zugrundeliegen, die dafür verantwortlich sind, daß
solche Eigenschaften wirklich bestehen, oder ob Einzeldinge nichts
anderes als Kombinationen von einfachen Qualitäten sind. Das letz-
tere trifft zu, insofern nur Fälle solcher Qualitäten wirklich gegeben
werden; sie und nur sie gehen in Kombinationen ein. Aber weder die
einfachen Gegebenheiten als solche noch auch irgendwelche Verbin-
dungen zwischen ihnen, die hervorgebracht werden müssen und dann
selbst gegeben sind, machen schon den Gedanken des Einzelnen aus,
der an der Subjektstelle des Urteils supponiert ist. Gegebene mannig-
faltige Qualitäten müssen auf besondere Weise, und zwar so ver-
bunden werden, daß sie als Eigenschaften von Einzeldingen aufgefaßt
werden können, die ihrerseits jenseits der Dimension dessen anzuset-
zen sind, was gegeben werden kann. Was dort ein Einzelnes ausmacht,
ist ein Konstruktionsprodukt, nichts Gegebenes, aber insofern auch
anderes als der Inbegriff seiner Eigenschaften, obgleich sich die Kon-
struktion, welche dies Einzelne zum Resultat hat, nur so herstellt,
daß Eigenschaften in Beziehung auf es miteinander in Verbindung
gebracht werden.
3.4. Belege aus Kanttexten
Nur aus einem Text geht zweifelsfrei hervor, daß Kant sich selbst
darüber klar geworden war, welcher Aspekt der Urteilsform es ist,
der eine Begründung seiner These über den Objektbegriff zu führen
 
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