8
Hildebrecht Hommel
Hammelhoden>, dessen Jean Paul in den <Flegeljahren> (1804/5)
gedenkt5, eine Trollingertraube, deren schon im 18. Jahrhundert auf-
tauchende Bezeichnung auf ihre «üppig-pralle Form» zurückgeführt
wird, wobei auch die weibliche Entsprechung <Geißdutte> nicht fehlt6.
Hermann Jung, der diese Marken registriert, fährt fort7: «Solche
Namen entstanden aus dem täglichen Umgang der ländlichen Be-
völkerung mit dem volkstümlichen Tier». Bis hierher können wir
zustimmen, es heißt da aber weiter: «Was liegt also näher, als den
Beutel des Bockes auch zum Paten der Bocksbeutelflasche zu machen?»
Von der Metapher <Patenschaft> einmal abgesehen, ist dieser Hinweis
eine klare Meinungsäußerung in dem Sinn, daß die Würzburger
Flaschenform in ähnlicher Weise vorgegeben war, wie in jenem anderen
Fall bei der Rebensorte die Form der Traube, daß also die morpho-
logische Ähnlichkeit mit dem Bockshoden dem Gegenstand nachträglich
den Namen gegeben habe, so wie man etwa einen bekannten Flugzeug-
typ als <Storch> bezeichnet. Sehen wir also zu!
Bevor wir die an sich, d. h. im allgemeinsten Sinne, durchaus legitime
Bocksspur weiter verfolgen, muß noch auf einige weitere Etymologien
ganz anderer Art kurz eingegangen werden. Sie waren offenbar
dadurch gefördert, daß sie dem Schamgefühl, um nicht zu sagen der
Prüderie, vergangener Epochen, vielleicht auch nur bestimmter
Bildungsschichten, entgegenkamen oder gar daraus entsprangen. So hat
man den ersten Bestandteil des ominösen Namens von <Bug> ableiten
wollen, worunter man — abweichend vom üblichen Sprachgebrauch —
die menschliche Hüfte verstand, an der der <Bugsbeutel> als Tragflasche
mit einem Gurt befestigt gewesen sei8. Um diese Erklärung zu retten,
hat man dann wohl auch den <Beutel> auf französisch <bouteille>
zurückgeführt, da man ja eine Tragflasche nicht ohne weiteres als
Beutel bezeichnen kann. So wäre der Bocksbeutel also eine <Gürtel-
Bouteille>!
Noch weiter hergeholt ist eine andere Deutung des Namens Bocks-
beutel, die das Wort als <Buchbeutel> interpretiert, was ohne Zuhilfe-
5 Fischer Bücherei (Exempla Classica), S. 225 (freundlicher Hinweis von Ulrich
Ott).
6 Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch das schwäbische <Muckesäckele>, das
jedoch als scherzhafte Bezeichnung der kleinsten Maßeinheit für den Wein ver-
standen werden will {Heinz-Eugen Schramm, Schwäb. Tagblatt Tübingen vom
12. 4. 1973).
7 Jung 36 f.
8 Kittel 37. Jung 34.
Hildebrecht Hommel
Hammelhoden>, dessen Jean Paul in den <Flegeljahren> (1804/5)
gedenkt5, eine Trollingertraube, deren schon im 18. Jahrhundert auf-
tauchende Bezeichnung auf ihre «üppig-pralle Form» zurückgeführt
wird, wobei auch die weibliche Entsprechung <Geißdutte> nicht fehlt6.
Hermann Jung, der diese Marken registriert, fährt fort7: «Solche
Namen entstanden aus dem täglichen Umgang der ländlichen Be-
völkerung mit dem volkstümlichen Tier». Bis hierher können wir
zustimmen, es heißt da aber weiter: «Was liegt also näher, als den
Beutel des Bockes auch zum Paten der Bocksbeutelflasche zu machen?»
Von der Metapher <Patenschaft> einmal abgesehen, ist dieser Hinweis
eine klare Meinungsäußerung in dem Sinn, daß die Würzburger
Flaschenform in ähnlicher Weise vorgegeben war, wie in jenem anderen
Fall bei der Rebensorte die Form der Traube, daß also die morpho-
logische Ähnlichkeit mit dem Bockshoden dem Gegenstand nachträglich
den Namen gegeben habe, so wie man etwa einen bekannten Flugzeug-
typ als <Storch> bezeichnet. Sehen wir also zu!
Bevor wir die an sich, d. h. im allgemeinsten Sinne, durchaus legitime
Bocksspur weiter verfolgen, muß noch auf einige weitere Etymologien
ganz anderer Art kurz eingegangen werden. Sie waren offenbar
dadurch gefördert, daß sie dem Schamgefühl, um nicht zu sagen der
Prüderie, vergangener Epochen, vielleicht auch nur bestimmter
Bildungsschichten, entgegenkamen oder gar daraus entsprangen. So hat
man den ersten Bestandteil des ominösen Namens von <Bug> ableiten
wollen, worunter man — abweichend vom üblichen Sprachgebrauch —
die menschliche Hüfte verstand, an der der <Bugsbeutel> als Tragflasche
mit einem Gurt befestigt gewesen sei8. Um diese Erklärung zu retten,
hat man dann wohl auch den <Beutel> auf französisch <bouteille>
zurückgeführt, da man ja eine Tragflasche nicht ohne weiteres als
Beutel bezeichnen kann. So wäre der Bocksbeutel also eine <Gürtel-
Bouteille>!
Noch weiter hergeholt ist eine andere Deutung des Namens Bocks-
beutel, die das Wort als <Buchbeutel> interpretiert, was ohne Zuhilfe-
5 Fischer Bücherei (Exempla Classica), S. 225 (freundlicher Hinweis von Ulrich
Ott).
6 Erwähnt sei in diesem Zusammenhang auch das schwäbische <Muckesäckele>, das
jedoch als scherzhafte Bezeichnung der kleinsten Maßeinheit für den Wein ver-
standen werden will {Heinz-Eugen Schramm, Schwäb. Tagblatt Tübingen vom
12. 4. 1973).
7 Jung 36 f.
8 Kittel 37. Jung 34.