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Hommel, Hildebrecht; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1978, 2. Abhandlung): Bocksbeutel und Aryballos: philologischer Beitrag zur Urgeschichte einer Gefäßform ; vorgetr. am 9. Juli 1977 — Heidelberg: Winter, 1978

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https://doi.org/10.11588/diglit.45468#0040
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Hildebrecht Hommel

wägungen zu stehen. Diese Vorrichtung «erlaubte indessen nicht, das
Getränk festzuhalten oder aufzubewahren»106. Hier war dagegen die
Naturform des Kürbisses wie geschaffen, der zweifellos früh dazu
herhalten mußte, nach Aushöhlung und Trocknung Flüssigkeiten auf-
zunehmen und zu bewahren. In den tropischen und subtropischen
Gegenden, wo seine Abart, Lagenaria vulgaris, der Flaschenkürbis,
mit langem engem Hals gedieh, eignete sich ein solches Gefäß dann
auch in gefülltem Zustand zum Mitnehmen über Land, so daß er später
zum Prototyp der <Pilgerflasche> wurde, die als solche schon bei
Hieronymus bezeugt ist107. Gewiß konnte man derartige geschlossene
oder leicht verschließbare Behälter, und zwar gerade auch unsere
heimische Form davon, in beliebiger Höhe oberhalb der Mitte ab-
schneiden, um neben Gefäßen von Flaschenart auch offene Schüsseln
und Schalen zu gewinnen108. Aber schon der aus manchen Grabungs-
stätten bekannten Methode, Wasser in offenen Behältern dadurch heiß
zu machen, daß man am Feuer erhitzte Steine in die Flüssigkeit legte
(da man ja noch keine metallenen Kessel kannte), schon dieser Prozedur
werden Kürbisschüsseln nicht lange standgehalten haben. So wird man
denn früh auf den Gedanken gekommen sein, Flüssigkeitsbehälter aus
Tierhäuten herzustellen, die man in geeigneter Weise zurechtschnitt,
gerbte und trocknete und zur Erzielung der gewünschten Endform,
wie zur Vermeidung der Durchlässigkeit auch vernähte109. Das wäre
dann die Urform der späteren äoxo'i, lat. cullei bzw. utres (<Leder-

106 Zitate nach H. Jung, 3000 Jahre Bocksbeutel 1970, S. 9. Seine anschließenden
Ausführungen S. 9 f. sind im einzelnen äußerst problematisch. Dagegen ist auf
das Kapitel von C. Schuchhardt’s berühmtem Buch <Alteuropa . . .> (1919 u. ö.)
zu verweisen, wo es den <Ursprung der Töpferei» behandelt (51944, S. 50 ff.).
Bockshodengefäße sind freilich auch bei ihm nicht in Betracht gezogen. Schuch-
hardts Tendenz geht dahin, die meisten keramischen Gefäßformen auf die
<Kürbisflasche> zurückzuführen. Vgl. a. R. Meringer a. O. (s. o. Anm. 20), S. 1 u. 5.
107 Fr. Lammert, Philologus 75. 1918, S. 405; W. Süß, Gießener Beiträge zur deut-
schen Philologie 60. 1939, S. 226 f. Seit der Jugendstilzeit (Hermann Obrist -
München) hat man Flaschenkürbisse oder Kalabassen wiederum als Anregung zur
Ausbildung neuer künstlerischer «Elementarformen» benützt; s. S. Wichmann,
Weltkultur und moderne Kunst 1972, S. 352 ff. m. Abb.
108 Schuchardt a. O., S. 51.
109 Gerade mit solchen Lederbehältern hat der bekannte englische Technologie-
Historiker R. J. Forbes, Studies in ancient Technology, Vol. 5. 1957, S. 13 jene
Methode, Wasser durch glühende Steine zu erhitzen, zusammengebracht, indem
er auf entsprechende Funde aus altsteinzeitlichen Siedlungen in Norwegen
hinwies.
 
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