Wolfgang Kullmann
Schaftsgrenzen, also eine pETaßacni; si<g aXXo yevog, ablehnte1. Jede
Wissenschaft hat nach seiner Auffassung ihre eigenen Prinzipien und
ist selbständig. Insbesondere ist auch die Metaphysik, die „erste Philo-
sophie“, keine Überwissenschaft, die die Prinzipien der übrigen Wissen-
schaften beweisen könnte2. Damit sei nicht bestritten, daß Aristoteles’
Philosophieren trotz der genannten methodischen Maxime immer wie-
der auch die Fachgrenzen überschreitet, um übergreifende Zusammen-
hänge aufzuhellen. Nur kommt den entsprechenden Aussagen eine andere
Bedeutung zu. Es handelt sich um 'dialektische’ Argumente, die für die
fachlichen Aussagen nicht unmittelbar relevant sind. Hinsichtlich der
Teleologie hoffen wir, die Grenzlinie deutlich markieren zu können.
Man muß sich vor Augen halten, welche Bedeutung die Biologie im
Rahmen des Schaffens des Aristoteles besitzt. Ein Drittel der erhaltenen
Schriftenmasse ist biologischen Fragen gewidmet, und zwar in erster
Linie zoologischen, da Aristoteles die Botanik weitgehend seinem Schü-
ler Theophrast zur Bearbeitung überließ3. Aristoteles hat die Zoologie
als eine theoretische Disziplin (als Teil der Naturwissenschaft, der
tpuaiKf) £7iiCTTf]pr|) überhaupt erst begründet, und es wird z. B. in De
part. an. A 5 sehr deutlich, welche Mühe es ihn kostete, das Sezieren
von Körpern höherer und niederer Tiere, das Beobachten der Lebens-
gewohnheiten der Tiere usw., was die Voraussetzung für jede Natur-
erklärung sein mußte, als eine unverächtliche, eines Philosophen wür-
dige Tätigkeit seinen Landsleuten verständlich zu machen, für die bis-
lang nur Naturerklärungen Gewicht hatten, die sich auf so angesehene
Wissenschaften wie die Astronomie und die Mathematik stützen konn-
ten4. Ein wissenschaftsgeschichtlich fundamentaler Schritt war dabei
die Übertragung bzw. Verengung des platonischen Ideenbegriffs, also
des Begriffs des Eidos, auf die biologische Art oder - wie die lateinische
Lehnübersetzung von Eidos lautet - auf die Spezies. Platon hatte diesen
Begriff des Eidos zunächst im Hinblick auf ethische und mathematische
1 Vgl. Anal. post. A7.75a38ff.
2 Literatur zur Frage der Thematik der aristotelischen Metaphysik bespricht kun-
dig H. Happ, Hyle. Studien zum aristotelischen Materiebegriff, Berlin-New York
1971, 310ff.
3 Dabei ist noch nicht berücksichtigt, daß teilweise auch die logischen Schriften,
insbesondere die Anal, post., die die Wissenschaftstheorie des Aristoteles ent-
halten, nicht zuletzt im Hinblick auf biologisch-zoologische Fragestellungen ver-
faßt sind. Vgl. Vf., Wissenschaft und Methode. Interpretationen zur aristoteli-
schen Theorie der Naturwissenschaft, Berlin-New York 1974, 17, 180, 194f.,
348 f. und passim.
4 Vgl. Wissenschaft und Methode 84f.
Schaftsgrenzen, also eine pETaßacni; si<g aXXo yevog, ablehnte1. Jede
Wissenschaft hat nach seiner Auffassung ihre eigenen Prinzipien und
ist selbständig. Insbesondere ist auch die Metaphysik, die „erste Philo-
sophie“, keine Überwissenschaft, die die Prinzipien der übrigen Wissen-
schaften beweisen könnte2. Damit sei nicht bestritten, daß Aristoteles’
Philosophieren trotz der genannten methodischen Maxime immer wie-
der auch die Fachgrenzen überschreitet, um übergreifende Zusammen-
hänge aufzuhellen. Nur kommt den entsprechenden Aussagen eine andere
Bedeutung zu. Es handelt sich um 'dialektische’ Argumente, die für die
fachlichen Aussagen nicht unmittelbar relevant sind. Hinsichtlich der
Teleologie hoffen wir, die Grenzlinie deutlich markieren zu können.
Man muß sich vor Augen halten, welche Bedeutung die Biologie im
Rahmen des Schaffens des Aristoteles besitzt. Ein Drittel der erhaltenen
Schriftenmasse ist biologischen Fragen gewidmet, und zwar in erster
Linie zoologischen, da Aristoteles die Botanik weitgehend seinem Schü-
ler Theophrast zur Bearbeitung überließ3. Aristoteles hat die Zoologie
als eine theoretische Disziplin (als Teil der Naturwissenschaft, der
tpuaiKf) £7iiCTTf]pr|) überhaupt erst begründet, und es wird z. B. in De
part. an. A 5 sehr deutlich, welche Mühe es ihn kostete, das Sezieren
von Körpern höherer und niederer Tiere, das Beobachten der Lebens-
gewohnheiten der Tiere usw., was die Voraussetzung für jede Natur-
erklärung sein mußte, als eine unverächtliche, eines Philosophen wür-
dige Tätigkeit seinen Landsleuten verständlich zu machen, für die bis-
lang nur Naturerklärungen Gewicht hatten, die sich auf so angesehene
Wissenschaften wie die Astronomie und die Mathematik stützen konn-
ten4. Ein wissenschaftsgeschichtlich fundamentaler Schritt war dabei
die Übertragung bzw. Verengung des platonischen Ideenbegriffs, also
des Begriffs des Eidos, auf die biologische Art oder - wie die lateinische
Lehnübersetzung von Eidos lautet - auf die Spezies. Platon hatte diesen
Begriff des Eidos zunächst im Hinblick auf ethische und mathematische
1 Vgl. Anal. post. A7.75a38ff.
2 Literatur zur Frage der Thematik der aristotelischen Metaphysik bespricht kun-
dig H. Happ, Hyle. Studien zum aristotelischen Materiebegriff, Berlin-New York
1971, 310ff.
3 Dabei ist noch nicht berücksichtigt, daß teilweise auch die logischen Schriften,
insbesondere die Anal, post., die die Wissenschaftstheorie des Aristoteles ent-
halten, nicht zuletzt im Hinblick auf biologisch-zoologische Fragestellungen ver-
faßt sind. Vgl. Vf., Wissenschaft und Methode. Interpretationen zur aristoteli-
schen Theorie der Naturwissenschaft, Berlin-New York 1974, 17, 180, 194f.,
348 f. und passim.
4 Vgl. Wissenschaft und Methode 84f.