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Kullmann, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1979, 2. Abhandlung): Die Teleologie in der aristotelischen Biologie: Aristoteles als Zoologe, Embryologe und Genetiker. Vorgelegt von Werner Beierwaltes am 21. Oktober 1978 — Heidelberg: Winter, 1979

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https://doi.org/10.11588/diglit.45473#0015
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Die Teleologie in der aristotelischen Biologie

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hat Aristoteles fälschlich die Existenz der Dinge als Naturzwecke ange-
sehen18. Auch der Nobelpreisträger Jacques Monod vertritt in seinem
berühmten Buch “Le hasard et la necessite“ die Meinung, daß der Fort-
schritt der Naturwissenschaft erst nach der systematischen Absage an
eine Erklärung durch Finalursachen möglich wurde, die er sich mit dem
Namen des Aristoteles verknüpft denkt19. Es wird zu prüfen sein, ob
diese Ansichten Aristoteles gerecht werden.
Auch in der Philosophie ist die Beurteilung des Aristoteles ähnlich.
Nicolai Hartmann sieht in ihm in gleichem Sinne den ,,Klassiker des
metaphysisch-teleologischen Denkens“ (1944)20. Wolfgang Stegmül-
ler, der in seinem neopositivistischen Hauptwerk „Probleme und Re-
sultate der Wissenschaftstheorie und analytischen Philosophie“ (1969)
Argumente gegen die teleologische Argumentationsweise mit besonderer
Klarheit zusammenfaßt, schreibt dabei der aristotelischen Naturphilo-
sophie ebenso wie dem Neovitalismus einen Erklärungstypus zu, der
bestimmte Ereignisse statt durch zugrundeliegende Wirkursachen mit
Hilfe von bestimmenden Endursachen erklärt21. Anstelle einer Kausal-
erklärung (im modernen Sinne) würde also eine Erklärung aus Zwecken
treten. Noch weiter geht er in einem Aufsatz von 1961 mit dem Titel
„Einige Beiträge zum Problem der Teleologie und der Analyse von
Systemen mit zielgerichteter Organisation“. Dort heißt es:
„Und gerade weil bei allen von Menschen geschaffenen Maschinen die Ent-
stehungsfrage durch eine echte teleologische Erklärung beantwortet werden
muß . . ., unter deren Antecedensbedingungen Motive zielstrebiger Wesen
vorkommen, ist die Verführung außerordentlich groß, im Falle biologischer
Gebilde oder anderer naturgeschaffener Selbstregulatoren ... die Entste-
hungsfrage durch eine Erklärung aus Motiven zu beantworten. Diese Analo-
giebetrachtung wäre eine ähnliche wie jene, aufgrund deren bereits Aristo-
teles lange vor dem Ausbau der exakten Naturwissenschaften sein teleologi-
sches Weltbild entwickelt hat.“22
Stegmüller unterstellt hier also Aristoteles, daß es bei seiner Analogie
zwischen Natur und Technik darauf angekommen sei, der Natur 'Mo-
18 Max Hartmann, Einführung in die allgemeine Biologie, Berlin 1965, 110.
19 Jacques Monod, Le hazard et la necessite. Essai sur la philosophie naturelle de
la biologie moderne, Paris 1970, 32f. = Collection Points 43,37f. (= dt., Zufall
und Notwendigkeit, München 1971, 30f.). - Auch darin, daß er seinem Buch ein
Wort Demokrits voranstellt, scheint eine Distanzierung von Aristoteles zu liegen.
20 Nicolai Hartmann, Teleologisches Denken, Berlin 1951, 66 (posthum heraus-
gegeben).
21 Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie,
Berlin 1969, I 556.
22 In: Aufsätze zur Wissenschaftstheorie, Darmstadt 1970 (= Libelli Bd. 245), 50.
 
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