Die Teleologie in der aristotelischen Biologie
19
gefunden hat (vgl. 42 DE und die „Zoogonie“ 90 E ff.)- Offensichtlich
im Hinblick auf diese von den geschaffenen Göttern partiell gewollte
Entwicklung sind die Nägel (övu%sü beim Menschen schon im Hin-
blick auf die Tiere geschaffen (76 DE). Vor allem haben diese Götter
nach Platon in das Hirn und das Rückenmark die Samen für das ge-
samte sterbliche Geschlecht gelegt und die Muster aller Formen, die es
einmal annehmen soll (73 BC)31. Beim Aufstieg muß sich entspre-
chend der Seelenwanderungslehre die umgekehrte Finalität ergeben
(vgl. 42B-D). Ausdrücklich wird von Platon gesagt, daß die Pflanzen
als Hilfe für die Menschen geschaffen wurden (77 A). Freilich ist an
vielen Stellen Platons Ironie unverkennbar; aber manches spricht dafür,
daß zumindest die Durchgängigkeit der Teleologie unter Überschreitung
der Artgrenzen Platons eigenste Meinung ist.
Bei Aristoteles fehlt in den biologischen Schriften überhaupt jede
Angabe eines Gesamtzwecks eines Lebewesens innerhalb des Kosmos.
Das vollkommene (erwachsene) Lebewesen ist selbst das Telos, das in
der Entwicklung des Lebewesens verwirklicht wird. Dieses Telos ist
immanent, nicht von außen gesetzt. Die Existenz der einzelnen Arten
wird nicht einer außer ihnen liegenden Zielsetzung der Gottheit oder der
universalen „Natur“ verdankt. Denn die Arten sind für Aristoteles nicht
irgendwann entstanden, sondern bestehen immer (Beobachtungen hin-
sichtlich ihrer Entstehung lagen ihm nicht vor). Das schließt eine über-
greifende durchgehende Finalität von vornherein aus. Mit Nachdruck
muß auch betont werden, daß Aristoteles nicht, wie ihm immer wieder
in geschichtlichen Überblicken über die Entwicklung der Biologie zuge-
schrieben wird, eine „Urzeugung“ fortpflanzungsfähiger Lebewesen aus
anorganischem Stoff vertreten hat32. Dies ist ein wichtiger Punkt. Denn
gesetzt, er hätte diesen Standpunkt gehabt, hätte er damit eine partielle
Zielgerichtetheit vom Anorganischen zum Organischen hin anerkannt
(die dann möglicherweise den Absichten eines höheren Wesens zu ver-
danken wäre). Doch dies trifft nicht zu. Aristoteles kennt zwar eine
spontane Entstehung bestimmter Lebewesen aus anorganischem Stoff,
insbesondere von Testaceen und Insekten. Aber die entsprechenden Ar-
ten entstehen immer wieder in derselben Weise aus Anorganischem, ohne
31 So die überzeugende Deutung von A. Rivaud, Platon. Timee (Bude), 11925, 201;
F. M. Cornford, Plato’s Cosmology, London 1937, 293 f.
32 So meint es vielleicht auch Ungerer, wenn er im Handbuch der Biologie, a.a.O.
16, sagt: „Eine 'Urzeugung’ aus anorganischem Stoff glaubt er - im Widerspruch
zu seiner theoretischen Auffassung vom Wesen fester Arten - den Erfahrungs-
tatsachen zugestehen zu müssen“.
19
gefunden hat (vgl. 42 DE und die „Zoogonie“ 90 E ff.)- Offensichtlich
im Hinblick auf diese von den geschaffenen Göttern partiell gewollte
Entwicklung sind die Nägel (övu%sü beim Menschen schon im Hin-
blick auf die Tiere geschaffen (76 DE). Vor allem haben diese Götter
nach Platon in das Hirn und das Rückenmark die Samen für das ge-
samte sterbliche Geschlecht gelegt und die Muster aller Formen, die es
einmal annehmen soll (73 BC)31. Beim Aufstieg muß sich entspre-
chend der Seelenwanderungslehre die umgekehrte Finalität ergeben
(vgl. 42B-D). Ausdrücklich wird von Platon gesagt, daß die Pflanzen
als Hilfe für die Menschen geschaffen wurden (77 A). Freilich ist an
vielen Stellen Platons Ironie unverkennbar; aber manches spricht dafür,
daß zumindest die Durchgängigkeit der Teleologie unter Überschreitung
der Artgrenzen Platons eigenste Meinung ist.
Bei Aristoteles fehlt in den biologischen Schriften überhaupt jede
Angabe eines Gesamtzwecks eines Lebewesens innerhalb des Kosmos.
Das vollkommene (erwachsene) Lebewesen ist selbst das Telos, das in
der Entwicklung des Lebewesens verwirklicht wird. Dieses Telos ist
immanent, nicht von außen gesetzt. Die Existenz der einzelnen Arten
wird nicht einer außer ihnen liegenden Zielsetzung der Gottheit oder der
universalen „Natur“ verdankt. Denn die Arten sind für Aristoteles nicht
irgendwann entstanden, sondern bestehen immer (Beobachtungen hin-
sichtlich ihrer Entstehung lagen ihm nicht vor). Das schließt eine über-
greifende durchgehende Finalität von vornherein aus. Mit Nachdruck
muß auch betont werden, daß Aristoteles nicht, wie ihm immer wieder
in geschichtlichen Überblicken über die Entwicklung der Biologie zuge-
schrieben wird, eine „Urzeugung“ fortpflanzungsfähiger Lebewesen aus
anorganischem Stoff vertreten hat32. Dies ist ein wichtiger Punkt. Denn
gesetzt, er hätte diesen Standpunkt gehabt, hätte er damit eine partielle
Zielgerichtetheit vom Anorganischen zum Organischen hin anerkannt
(die dann möglicherweise den Absichten eines höheren Wesens zu ver-
danken wäre). Doch dies trifft nicht zu. Aristoteles kennt zwar eine
spontane Entstehung bestimmter Lebewesen aus anorganischem Stoff,
insbesondere von Testaceen und Insekten. Aber die entsprechenden Ar-
ten entstehen immer wieder in derselben Weise aus Anorganischem, ohne
31 So die überzeugende Deutung von A. Rivaud, Platon. Timee (Bude), 11925, 201;
F. M. Cornford, Plato’s Cosmology, London 1937, 293 f.
32 So meint es vielleicht auch Ungerer, wenn er im Handbuch der Biologie, a.a.O.
16, sagt: „Eine 'Urzeugung’ aus anorganischem Stoff glaubt er - im Widerspruch
zu seiner theoretischen Auffassung vom Wesen fester Arten - den Erfahrungs-
tatsachen zugestehen zu müssen“.