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Kullmann, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1979, 2. Abhandlung): Die Teleologie in der aristotelischen Biologie: Aristoteles als Zoologe, Embryologe und Genetiker. Vorgelegt von Werner Beierwaltes am 21. Oktober 1978 — Heidelberg: Winter, 1979

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https://doi.org/10.11588/diglit.45473#0030
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Wolfgang Kullmann

Von den fünf Stellen, an denen diese Unterscheidung vor kommt,
liegt offenbar nur in De an. B 4.415 b 15ff. der doppelte Bezug bei
ein- und demselben Gegenstand vor. Im Textzusammenhang kommt
es offensichtlich darauf an, besonders sorgfältig die Art und Weise her-
ajiszuarbeiten, in der die Seele Ursache ist. Die seelischen Funktionen
sind das Ziel, auf das hin die Körperorgane ausgerichtet sind (415 b 16
eveköc tou), und zugleich sind die naturhaften Körperwerkzeuge Mittel
der Seele (415 b 19 öpyava), die in ihrem Interesse sind, ihr nützen. An
den anderen Stellen ist es Aristoteles nur darum zu tun, jeweils einen
bestimmten Aspekt des Zweckhaften zu isolieren, weil die dort ange-
sprochenen Zwecke jeweils nur durch einen dieser Aspekte ausgezeich-
net sind.
Die Begriffsdifferenzierung zwischen „Zweck von“ und „Zweck für“
oder wörtlicher übersetzt zwischen,, Worum-willen-von“ (ob evekci rtvog)
und „Worum-willen-für“ (ob evekü tivi) an der Physikstelle erweist sich
somit als vorzüglich geeigent, die Grenzen der Finalität nicht nur in
bezug auf das in Pol. A 8 behandelte Problem, sondern auch in bezug
auf die Finalität in den biologischen Schriften sichtbar zu machen. Wir
können die Dihärese in folgender Weise schematisch veranschaulichen:
Wenn A—> B ein zielstrebiger Prozeß ist, in dem das Element A das
Zielgerichtete, das Element B das Ziel bezeichnet, und wenn ein Kreis O
andeutet, daß das so ausgezeichnete Element ein Element ist, das den
Prozeß als einen zielstrebigen erscheinen läßt, sind drei Fälle denkbar:


(z. B. Ausgerichtetsein auf „Gott“ als „Worum-
willen-von“);


(z. B. Ausgerichtetsein der Tiere auf den Men-
schen als „Worum-willen-für“);


(z. B. Ausgerichtetsein der Organe auf das Lebe-
wesen bzw. auf die Seele als „Worum-willen-
von“ und „Worum-willen-für“).

Im ersten Falle ist z. B. die Existenz Gottes zureichender Grund für
das Vorhandensein zielgerichteter Prozesse; zielgerichtete Prozesse sind
aber nicht unerläßliche Voraussetzung für die Existenz Gottes. Im zwei-
ten Fall sind z. B. die Menschen nicht zureichender Grund für das Vor-
handensein der Tiere; wohl aber sind die Tiere unerläßliche Vorausset-
zung für die Existenz der Menschen. Im dritten Fall sind z. B. die Organe
unerläßliche Voraussetzung für die Existenz des Lebewesens, und gleich-
 
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