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Riedl, Peter Anselm; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1979, 6. Abhandlung): Das Fondi-Grabmal in S[an] Agostino zu Siena: Vorgelegt am 1. Dezember 1979 — Heidelberg: Winter, 1979

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https://doi.org/10.11588/diglit.45477#0022
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Peter Anselm Riedl

der durch das Relief erreichte perspektivische Effekt!) und von Neroc-
cios Grabmal für den Bischof Tommaso Piccolomini (gest. 1483) im
Sieneser Dom (Abb. 20b) repräsentiert wird. Das Fondi-Grabmal
besitzt außerdem eine Eigenart, von der sich ein Terminus post quem
ableiten läßt, nämlich das auf Mi ehe langelos Medici-Gräber anspielen-
de, gegensinnig gelagerte Figurenpaar auf dem Sarkophagdeckel11.
Nähere Auskünfte gibt der Figurenstil. Die Gestalten auf Sarkophag
und Giebel weisen auf einen mit der Mitteilungsweise führender siene-
sischer Meister der ersten Cinquecentohälfte, namentlich Peruzzis,
Sodomas und Beccafumis, vertrauten Meister. Die Aufmerksamkeit
hat sich also auf einen um die Jahrhundertmitte tätigen, aktuelle bild-
nerische Möglichkeiten reflektierenden Maler zu richten. Das Fehlen
unmittelbar vergleichbarer Werke macht eine schrittweise und in sich
nur bedingt kohärente Analyse nötig.
Bemerkenswert ist zunächst, wie sicher der Künstler mit dem archi-
tektonischen Formenapparat umgeht, meinem Formenapparat, der mit
Begriffen wie preziös oder dekorativ wohl angemessen charakterisiert
ist. Die einzelnen Teile sind, was Dimensionierung und formale Aus-
bildung angeht, Zeugnisse einer unorthodoxen - will sagen: von den
Vorstellungen der klassischen Hochrenaissance abweichenden - Auf-
fassung. Die nach oben schwellenden Baluster mit annähernd kubi-
schen Kopfstücken finden sich beispielsweise - nämlich in Eckausspa-
rungen des Altarblocks eingestellt - in der Neuen Sakristei von S.
Lorenzo in Florenz12. Die eingedrehten Profilauslappungen unter dem
Sarkophagdeckel und am Giebelbogen bezeugen ebenso wie der
Kartuschenrahmen Bekanntschaft mit dem (namentlich von der Schu-
le von Fontainebleau entwickelten und seit etwa der Jahrhundertmitte
in ganz Europa Widerhall findenden) Rollwerkstil13. Die kastenförmi-
11 Zu diesem Motiv und seiner Vorgeschichte s. Ch. de Tolnay, Michelangelo, III: The
Medici Chapel, Princeton 1948, S. 42.
12 Ch. de Tolnay, wie in Anm. 11 zitiert, S. 32, bemerkt: „. . . there is a noteworthy
innovation in the fact that between the pilasters and the central field there are
inverted balusters . . .“. Auch in der Zone über den Medici-Gräbem, nämlich
an den Flanken der Verkröpfungen unter dem ersten großen Gebälk, finden sich
umgedrehte Balustersäulchen.
13 Zum Thema Rollwerk siehe: A. Lichtwark, Der Omamentstich der deutschen
Frührenaissance, Berlin 1888; M. Deri, Das Rollwerk in der deutschen Ornamentik
des 16. und 17. Jahrhunderts, Berlin 1906; P. Jessen, Der Ornamentstich, Berlin
1920; R. Berliner, Ornamentale Vorlageblätter des 15. bis 18. Jahrhunderts,
Tafeln: Leipzig 1925, Textband: Leipzig 1926; W. K. Zülch, Die Entstehung des
Ohrmuschelstils, Heidelberg 1932; E. Forssman, Säule und Ornament, Uppsala
 
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