40
Peter Anselm Riedl
Die Eule des Fondi-Grabmals sitzt erhöht auf einem heute nicht
mehr erkennbaren Gegenstand; es könnte sich um einen Ast gehan-
delt haben, aber vielleicht auch um eine Säule oder um einen Säulen-
stumpf8" - und damit wären der durch Gewandung und Schild der lin-
ken Sarkophagfigur evozierte Bezug zu Minerva und folglich der ande-
re, positive Bedeutungsaspekt der Eule („Studio et vigilantia“85 86) doch
in den Kreis der Wahrscheinlichkeit gerückt. Vermutlich ist die weib-
liche Allegorie nicht auf eine einzige Bedeutungsschicht hin interpre-
tierbar. Sie macht Trauer sinnenfällig und verweist auf den Bereich
von Weisheit und Wissenschaft. Ähnlich, wie die Pendantfigur elegi-
sche Stimmung vermittelt und den Bezug zum Musischen herstellt
(wobei keineswegs nur Musik gemeint sein muß: Auf Michelangelos
Trauergerüst war der Allegorie der Dichtkunst eine Zither zugeord-
net87, und Ripa stellt die „Poesia“ mit Lirone und Cometto dar88).
Derartige Ambivalenz ist nicht etwa eine Ausnahmeerscheinung, son-
dern geradezu ein Charakteristikum der Symbolkunde und der Emble-
matik bis ins achtzehnte Jahrhundert; man studiere nur das oft völlig
verwirrende Deutungsangebot eines Picinelli!
Musikinstrumente als Vanitassymbole begegnen überaus häufig auf
Bilddarstellungen und in der Literatur. Als relativ frühes Exempel
unter vielen sei Urs Grafs Holzschnitt „Buhlerin mit Totenkopf4
genannt89 90, als späteres der Stich Rollenhagens unter dem Motto „Nes-
cio quo me vertat4490, als Zeugnis aus der Zeit um 1700 Carlos Bundetos
„El espejo de la muerte“91. Gelegentlich wird in Beischriften direkt
oder indirekt auf die Verse 30 und 31 bei Hiob 30 Bezug genommen:
„Es schwärzt sich meine Haut und löst sich ab; in Fieberglut ist mein
Gebein entbrannt. So ward mein Zitherspiel zur Trauermelodie und
85 Leider ist in der Nischenecke links unter dem Sarkophag die Malschicht zu
zerstört, als daß sich eventuell die untere Partie des Gegenstandes, auf dem
die Eule sitzt, erkennen ließe.
86 So bei Rollenhagen, s. A. Henkel u. A. Schöne, wie in Anm. 63 zitiert, Sp. 897.
Zu Minerva vgl. ebenda, Sp. 1731 ff.
87 Vgl. R. u. M. Wittkower, wie in Anm. 19 zitiert, S. 100: „. . . la quarta con
la cetra in mano, & con l’habito di Calliope, era benissimo conosciuta per la
Poesia“.
88 C. Ripa, wie in Anm. 65 zitiert, S. 406ff. Deutlicher läßt die Illustration in der
Ausgabe von 1618 die Instrumente erkennen; vgl. E. Wintemitz, wie in Anm. 6
zitiert, S. 92, Abb. 13.
89 D. Briesemeister, wie in Anm. 79 zitiert, Abb. 201.
90 Ebenda, Abb. 116.
91 Ebenda, Abb. 164.
Peter Anselm Riedl
Die Eule des Fondi-Grabmals sitzt erhöht auf einem heute nicht
mehr erkennbaren Gegenstand; es könnte sich um einen Ast gehan-
delt haben, aber vielleicht auch um eine Säule oder um einen Säulen-
stumpf8" - und damit wären der durch Gewandung und Schild der lin-
ken Sarkophagfigur evozierte Bezug zu Minerva und folglich der ande-
re, positive Bedeutungsaspekt der Eule („Studio et vigilantia“85 86) doch
in den Kreis der Wahrscheinlichkeit gerückt. Vermutlich ist die weib-
liche Allegorie nicht auf eine einzige Bedeutungsschicht hin interpre-
tierbar. Sie macht Trauer sinnenfällig und verweist auf den Bereich
von Weisheit und Wissenschaft. Ähnlich, wie die Pendantfigur elegi-
sche Stimmung vermittelt und den Bezug zum Musischen herstellt
(wobei keineswegs nur Musik gemeint sein muß: Auf Michelangelos
Trauergerüst war der Allegorie der Dichtkunst eine Zither zugeord-
net87, und Ripa stellt die „Poesia“ mit Lirone und Cometto dar88).
Derartige Ambivalenz ist nicht etwa eine Ausnahmeerscheinung, son-
dern geradezu ein Charakteristikum der Symbolkunde und der Emble-
matik bis ins achtzehnte Jahrhundert; man studiere nur das oft völlig
verwirrende Deutungsangebot eines Picinelli!
Musikinstrumente als Vanitassymbole begegnen überaus häufig auf
Bilddarstellungen und in der Literatur. Als relativ frühes Exempel
unter vielen sei Urs Grafs Holzschnitt „Buhlerin mit Totenkopf4
genannt89 90, als späteres der Stich Rollenhagens unter dem Motto „Nes-
cio quo me vertat4490, als Zeugnis aus der Zeit um 1700 Carlos Bundetos
„El espejo de la muerte“91. Gelegentlich wird in Beischriften direkt
oder indirekt auf die Verse 30 und 31 bei Hiob 30 Bezug genommen:
„Es schwärzt sich meine Haut und löst sich ab; in Fieberglut ist mein
Gebein entbrannt. So ward mein Zitherspiel zur Trauermelodie und
85 Leider ist in der Nischenecke links unter dem Sarkophag die Malschicht zu
zerstört, als daß sich eventuell die untere Partie des Gegenstandes, auf dem
die Eule sitzt, erkennen ließe.
86 So bei Rollenhagen, s. A. Henkel u. A. Schöne, wie in Anm. 63 zitiert, Sp. 897.
Zu Minerva vgl. ebenda, Sp. 1731 ff.
87 Vgl. R. u. M. Wittkower, wie in Anm. 19 zitiert, S. 100: „. . . la quarta con
la cetra in mano, & con l’habito di Calliope, era benissimo conosciuta per la
Poesia“.
88 C. Ripa, wie in Anm. 65 zitiert, S. 406ff. Deutlicher läßt die Illustration in der
Ausgabe von 1618 die Instrumente erkennen; vgl. E. Wintemitz, wie in Anm. 6
zitiert, S. 92, Abb. 13.
89 D. Briesemeister, wie in Anm. 79 zitiert, Abb. 201.
90 Ebenda, Abb. 116.
91 Ebenda, Abb. 164.