Marsilio Ficinos Theorie des Schönen im Kontext des Platonismus
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dreien (d.h. mit drei Gestalten) fassen, mit Schönheit, Symmetrie
und Wahrheit (xäAAoc;, aupperpia, äAf|üeta), so wollen wir sagen,
daß diese die Ursache dafür sind, daß die Mischung gut genannt
werden kann“27. Aus dem ersten Satz wird deutlich, daß Schönheit
sowohl den äußern Anblick als auch die innere Haltung (äpevf|) be-
nennt, also Leibliches und Geistiges oder Seelisches bestimmt;
Symmetrie meint so den vollkommenen Einklang oder die innere und
daher auch äußere Harmonie einer in sich selbst durch Maß bestimm-
ten Gestalt. Eine solche im Einklang mit sich selbst seiende, geeinte
Gestalt aber ist Schönheit. Das Erste also in dieser Gedanken-
entwicklung ist das Maß als das constituens der Einheit; das Zweite
die Entsprechung der Teile: Symmetrie; das Dritte, worin sich Wahr-
heit bestimmt, ist der auf das Sein der Sache gerichtete 'Nus’
oder: Vernunft ist das Verwirklichtsein von Maß im Denken - Denken
dem eigenen Anspruch, also der 'Vernunft’ gemäß. Anders gesagt
heißt dies: die vorhin genannten Verhältnisse (Symmetrie, Bezug
der Teile zum Ganzen) sind durch Vernunft bestimmt. Nur so, als
vemunftbestimmte, ist Schönheit auch eine Äußerungsform von
Wahrheit28, die das Sinnliche mit dem Geistigen verbindet und es
durch seine Parusie als „schöne Erscheinung“ verstehbar macht. Im
Schönen also zeigt sich sowohl das Gute als auch das Wahre; es ist
das „Ereignis“ von gelungener, in sich beständiger und zugleich offener
Wirklichkeit.
Diese bestimmenden Elemente des Begriffes Schönheit entspre-
chen offensichtlich einer durchgängigen Auffassung Platons. Sie sind
für ihn ebensosehr aus einem kosmologischen Aspekt begründbar: Die
durch vernünftiges Denken geleitete Tätigkeit der Weltseele besteht in
der Konstitution und Erhaltung des mathematischen Verhältnisses der
einzelnen Teile des Kosmos zu einem geordneten Ganzen. Indem sie
'analogia’ und 'philia’ der Teile wirkt, wirkt sie die Schönheit ('Kosmos’)
und die Harmonie des Ganzen. 'Analogia’ wird deshalb als das
„schönste Band“ benannt, weil sie die in sich - aufgrund der Zahl-
haftigkeit der geometrischen Urgestalten - vernünftige Relationalität
aller Bereiche des Kosmos herstellt29. Platon versteht dieses „Bild
27 65 a 1 fT.
28 66 a b.
29 Tim. 31 b 8 - c 7.
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dreien (d.h. mit drei Gestalten) fassen, mit Schönheit, Symmetrie
und Wahrheit (xäAAoc;, aupperpia, äAf|üeta), so wollen wir sagen,
daß diese die Ursache dafür sind, daß die Mischung gut genannt
werden kann“27. Aus dem ersten Satz wird deutlich, daß Schönheit
sowohl den äußern Anblick als auch die innere Haltung (äpevf|) be-
nennt, also Leibliches und Geistiges oder Seelisches bestimmt;
Symmetrie meint so den vollkommenen Einklang oder die innere und
daher auch äußere Harmonie einer in sich selbst durch Maß bestimm-
ten Gestalt. Eine solche im Einklang mit sich selbst seiende, geeinte
Gestalt aber ist Schönheit. Das Erste also in dieser Gedanken-
entwicklung ist das Maß als das constituens der Einheit; das Zweite
die Entsprechung der Teile: Symmetrie; das Dritte, worin sich Wahr-
heit bestimmt, ist der auf das Sein der Sache gerichtete 'Nus’
oder: Vernunft ist das Verwirklichtsein von Maß im Denken - Denken
dem eigenen Anspruch, also der 'Vernunft’ gemäß. Anders gesagt
heißt dies: die vorhin genannten Verhältnisse (Symmetrie, Bezug
der Teile zum Ganzen) sind durch Vernunft bestimmt. Nur so, als
vemunftbestimmte, ist Schönheit auch eine Äußerungsform von
Wahrheit28, die das Sinnliche mit dem Geistigen verbindet und es
durch seine Parusie als „schöne Erscheinung“ verstehbar macht. Im
Schönen also zeigt sich sowohl das Gute als auch das Wahre; es ist
das „Ereignis“ von gelungener, in sich beständiger und zugleich offener
Wirklichkeit.
Diese bestimmenden Elemente des Begriffes Schönheit entspre-
chen offensichtlich einer durchgängigen Auffassung Platons. Sie sind
für ihn ebensosehr aus einem kosmologischen Aspekt begründbar: Die
durch vernünftiges Denken geleitete Tätigkeit der Weltseele besteht in
der Konstitution und Erhaltung des mathematischen Verhältnisses der
einzelnen Teile des Kosmos zu einem geordneten Ganzen. Indem sie
'analogia’ und 'philia’ der Teile wirkt, wirkt sie die Schönheit ('Kosmos’)
und die Harmonie des Ganzen. 'Analogia’ wird deshalb als das
„schönste Band“ benannt, weil sie die in sich - aufgrund der Zahl-
haftigkeit der geometrischen Urgestalten - vernünftige Relationalität
aller Bereiche des Kosmos herstellt29. Platon versteht dieses „Bild
27 65 a 1 fT.
28 66 a b.
29 Tim. 31 b 8 - c 7.