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Beierwaltes, Werner; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1980, 11. Abhandlung): Marsilio Ficinos Theorie des Schoenen im Kontext des Platonismus: vorgetragen am 28. Juni 1980 — Heidelberg: Winter, 1980

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https://doi.org/10.11588/diglit.45488#0027
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Marsilio Ficinos Theorie des Schönen im Kontext des Platonismus

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Intelligible die Ideen sind, die Ideen jedoch identisch gedacht werden
müssen mit dem intelligiblen Sezzz, dann denkt er in den Ideen
sein eigenes Sein oder sich selbst44. Aus diesem Grunde gehören,
sofern der Nus als die Fülle der Gestalten auch als das erste, d. h.
seiner Intensität und Wirkung nach primäre Schöne gilt, das wahr-
hafte, in sich reflexive Sein und die Schönheit wesenhaft zusam-
men45. Zwischen „Sein“ und „Schön“ kann demnach keine gegensei-
tige „Verursachung“ oder „Vorordnung“ gedacht werden; das Maß an
Teilhabe am Sein entspricht vielmehr dem Maß an Teilhabe am
Schönen (V 8,9,42ff). Das Schöne ist zugleich als integratives Ele-
ment in uns zu verstehen: es „durchglänzt Alles“46. Es ist nicht etwas,
was wie eine Farbe zu einer Gestalt hinzukommt (10,31), sondern
eine aus der „Tiefe“, d. h. aus dem Inneren des Wesens des intelli-
giblep Seins kommende, dieses bestimmende Kraft (10,30: xaÄAot;
ex ßaüovQ. Als das, was „Alles durchglänzt“, ist das Schöne mit
der das Einzelne in sich und auf das Ganze hin durchlichtenden
Qualität des reflexiven Denkens identisch.
Plotins Konzeption des Nus als einer reflexiven, in sich dynami-
schen Identität, die von ihm gerade aufgrund der Gestalthaftigkeit,
Einheit, in sich bewegten und reflexiv-lichten Lebendigkeit als „schön“
gedacht wird, zeigt - den früheren Ansatz modifizierend -, daß das
Schöne in einem höheren, d. h. durch Reflexion und Leben bestimm-
ten Sinne auch als das „Symmetrische“ gedacht werden könne47.
Gestützt wird diese Behauptung durch Plotin selbst, wenn er Wahr-
heit als das versteht, welches die dem absoluten Geist eigene Ein-
heit erwirkt oder diese z’V48: Wahrheit des Geistes stimmt nicht mit
einem ihm Äußerlichen überein, sondern nur mit sich, d. h. mit
seinem Sein selbst (ov aupcpwvia xpöq oAAo exei, ccXA’ aikou excccftou
otmsp äÄijÜEia49). Diese absolute Selbstübereinstimmung des Geistes,
die dynamische Identität seiner Ideen mit ihm selbst macht auch
seine Schönheit aus. Von daher wird auch dessen einigende, bele-
44 Plotin hat den parmenideischen Gedanken der Identität von Sein und Denken
mit der aristotelischen Konzeption des sich selbst denkenden Gottes in die Ein-
heit des Nus zusammengeführt. Vgl. hierzu W. Beierwaltes, Plotin. Über Ewig-
keit und Zeit, Einleitung und Kommentar zu III 7, Frankfurt 1967, 25 ff.
45 V 8,9,34ff wird mehrfach beider Identität behauptet.
46 10,25. Das Schöne als Licht: z.B. I 6,3,24; 5,39. III 5,9,9ff.
47 Zur Modifikation des Symmetrie-Gedankens: III 2,17,64ff.
48 VI 8,17,13f.
49 III 7,4,11 f. V 5,2,18-20; vgl. auch 9-11.
 
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